Zipfelklatscher
leichtfüßig an uns vorbei und strahlt uns an, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, und auch er ist diesmal nicht alleine – die sportliche Frau in der schwarzen Jogginghose und dem kurzen grauen Schleier, ist das tatsächlich Schwester Sebastiana?
»Guten Morgen, ihr Lieben!«, lächelt sie kurz, springt mit einem Satz über den großen, runden Findling, der an der Ecke der Klostermauer steht, und ist verschwunden.
David und ich grinsen uns an und setzen unseren Weg fort, gerade als die Sonne über die Kuppe des Hochgern klettert und unsere Schatten auf die weiße Ostwand der Klostermauer wirft. Eine ziemlich weibliche Silhouette, ein Dirndl im Dirndl halt, mit einer Frisur auf dem Kopf, die auch zur Füllung einer King-Size-Matratze taugen könnte. Und daneben ein großer Mann mit schmalen Hüften und einem Trachtenhut. Und sie halten Händchen. »Schau mal«, sage ich und bleibe stehen. »Das sind wir.«
»Sicherrr, das sind wir«, sagt er, »wie schön.«
»Was machts’n ihr da? Schmusen?«
Die Emerenz kann es gar nicht fassen, als sie uns ein paar Minuten später in flagranti erwischt, weil wir unbedingt ausprobieren wollten, ob man sich gleichzeitig heftig mit Zunge küssen und seinen Schatten dabei beobachten kann.
»Mei, ich weiß nicht, Emerenz«, grinse ich, »wonach sieht’s denn aus?«
»Ja, was sagt denn da dein Bappa dazu? Und der Michi?«
»Weiß nicht. Schau ma mal!«
»Und wie du ausschaust! Wia aus’m Putzkammerl aussizogn! Und ist des ned des Dirndl von deiner Mama? Oh mei! Dir ist ja gar nix heilig! Der Wiggerl, der hat die Sachen von seiner Mama immer in allerhöchsten Ehren gehalten.«
»Aber wer weiß, ob er sie nicht manchmal auch gerne selbst angezogen hätte? Wir wünschen Ihnen jedenfalls noch einen königlich schönen Tag, Frau Schöngruber!«, verbeugt sich jetzt David und zieht mich weiter.
»Den werd ich nicht haben, weil ich fahr nämlich nach Prien zum Doktor, wegen meim Kropf!«, schreit die Emerenz noch hinter uns her. Wir laufen schon den Klostergarten zum Hotel hoch, David sperrt den Gartenzugang von außen auf, seit Neuestem eine große Glasfront mit hellem Holzrahmen. Buchskugeln in Terrakottatöpfen flankieren den Eingang, die dunkelbraunen Eichenböden sind abgeschliffen worden und glänzen hell und frisch gewischt. Bevor David in den hinteren Bereich des Speisesaals geht, wo das neue Chrom einer ruderbootgroßen Kaffeemaschine die Morgensonne zurückwirft, küsst er mich und hält mich kurz vor sich, um mich anzusehen.
»Du bist kein Latte-Mädchen. Zu viel Power. Du magst einen doppelten Espresso mit ganz wenig Milchschaum, oderrr?«
»Sicher«, antworte ich, meine Stimme klingt wieder ganz normal, das Brave Mädchen-Ich von gestern ist anscheinend mit dem Hubsi zusammen ins Wasser gefallen. Wegen mir kann es da gerne bleiben, ich bin wieder die Kati, ich bin wieder bei mir selbst angekommen, nur dass ich mir diesmal jemanden mitgebracht habe. Und es sieht nicht so aus, als würde ich ihn ganz schnell wieder loswerden wollen.
»Jessas Michi, wie lang sitzt du denn schon da?«
Michi-Mike sitzt neonbunt gekleidet in unserem Biergarten, neben der in sich zusammenfallenden Wolke aus Pfingstrosen, und schaut mich so waidwund an, dass meine rosa Wolken beinahe weggeblasen werden von einer schwefelgelben Sturmfront aus schlechtem Gewissen.
»Lang. Sehr lang!«, beklagt er sich, und seine Schultern fallen noch ein Stückchen weiter nach unten. »Ich wollte dich aufwecken und dir eine gute Nachricht überbringen, bevor ich in die Arbeit muss, aber du warst ja nicht da. Ich dachte, du willst deinen Laden bald wieder aufsperren dürfen? Wurscht. Dann halt nicht. Ich muss jedenfalls jetzt los. Ich kann mir nicht jeden Tag freinehmen wegen dir.«
»Halt, Michi-Mike, jetzt warte doch«, sage ich und fasse ihn am gelb-pink-türkisen Oberarm, die Farben so beißend wie Michi-Mikes Tonfall, »jetz sag mir halt, was die gute Nachricht ist!«
»Ah, jetzt bist neugierig, aber nur wenn’s mal um mich geht, dann ist es dir egal. Stimmt’s? Und was ist das? Mückenstiche? Wo hast du denn so viele Mückenstiche her?«
»Ach, Mike«, versuche ich jetzt die Flucht nach vorne, »ich war halt aus, da muss ich mich jetzt nicht bei dir entschuldigen!«
»Nein, entschuldigen ned, aber wos warst, kannst mir schon sagen, und ob das stimmt, was mir die Emerenz erzählt hat.«
»Wieso, was hat sie dir denn erzählt?«
»Das wirst du am besten wissen!«
Ich
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