Zipfelklatscher
schaut auch nicht so aus, als tät der Boni noch wissen, wie man einen macht, einen Kartoffelsalat! Bussi! Ah wo, Bussi: Pfuideife! Pfiadi und auf Nimmerwiedersehen!«
Mein Vater hat immer noch sein leicht spaciges Lächeln auf dem Gesicht und ist gerade dabei, sich die Haare sorgfältig an den Kopf zu kleben, mit einem Kamm, den er vor jedem Strich in ein Wasserglas taucht.
»Kati, servus, sagamal, das ist doch das Dirndl von der Mama! Gut schaust aus!«
»Bappa, das hab ich vorher doch schon angehabt!«
»Vorher?«
Er sieht durch mich hindurch, und als das Festnetztelefon klingelt, schubst er mich zur Seite und verschwindet in der Küche, das Telefon an sich gepresst. Ich starre die Küchentür an, die er hinter sich zugezogen hat, und frage mich, ob mein Vater einfach nicht mehr weiß, dass wir uns gerade eben noch über die finanzielle Schieflage unserer Fischerei unterhalten haben und dass der Michi-Mike sauer war wegen den Mückenstichen und dem feinen Binkel. An der Ladestation unseres Telefons verwandelt sich ein rotes Lämpchen in ein grünes, mein Vater hat aufgelegt, und als er wieder aus der Küche kommt, verkündet er: »Ich muss leider los«, wobei sein leuchtendes Dackelfalten-Gesicht alles andere ausdrückt als Bedauern.
»Aber … Wir müssen doch noch so viel besprechen! Wir müssen nächste Woche wieder aufsperren. Und ich hab ein paar Ideen, die wollt ich mit dir besprechen! Und außerdem haben die Fränzi und ich nächste Woche Geburtstag und den wollen wir hier feiern. Wo willst denn jetzt schon wieder hin?«
»Na, zum Fischerlbecken, weißt, die brauchen mich da halt. Und ich will, dass die sich auf den Lochbichler Boni verlassen können! Pfiadi nachad!«
Und als ich ihn anstarre, gibt er mir noch ein Bussi auf die Backe und drückt mich.
»Mei, das machst du schon, Kati, die Sonnfischerei ist bei dir super aufgehoben, wozu haben wir dich denn auf die Uni geschickt, gell! Echt hübsch schaust du aus heute Morgen! Gut, dass du auch amal einen Spass ghabt hast!«
Ich verstehe gar nichts mehr. Auf einmal ist mein Vater total tiefenentspannt. Oder versteht der einfach nicht mehr, was das alles zu bedeuten hat?
Alleingelassen mit meinen Sorgen stehe ich im Gang herum. Meine Schwester ist um diese Zeit in ihrem Redaktionsmeeting, Jürgen, ihr Vorzimmer-Flamingo, würde mich jetzt niemals durchstellen. Aber bin ich wirklich allein? Vielleicht kann mir David helfen, das hat der doch oben im Hotel auch geschafft! Denn an Fränzis und meinem Dreißigsten wieder aufmachen, das wäre wirklich das größte Geschenk!
Draußen ist es wärmer als drinnen, und ich beschließe, trotz der Jahreszeit den Kachelofen anzuheizen, um ein bisschen Feuchtigkeit aus dem Gemäuer herauszubekommen. Das Dirndl hänge ich davor auf, damit sich die Falten aushängen, die David und ich hineingeschmust haben, hole einen Stapel von dem Mirabellenholz ins Haus und setze mich an den Schreibtisch, um nachzudenken. Der Kachelofen raucht wie verrückt, weil er gar nicht einsieht, dass er seinen Dienst tun soll an einem Sommertag, und das Haus hängt voller Qualm, bis der Kamin endlich zieht. Meine Gedanken schweifen ab, ich denke an David, daran, dass wir beide nicht gemerkt haben, dass die Mücken sich auf uns gestürzt haben, an den nassen Hubsi, an den schönen neuen Speisesaal oben im Hotel, und an den lieben Ausdruck in Davids Augen, als er mir vor den Augen der Frühschicht meinen Espresso gemacht hat.
»Deine kleine Fischerei hat das, was uns hier oben fehlt. Da kann ich das Hotel noch so renovieren, diese Atmosphäre werde ich niemals hinbekommen!«, hat er gesagt, und er hat recht. Ich mache das Fenster auf, damit mir die Augen nicht tränen, denke an den umgestürzten Mirabellenbaum und an sein Holz, das an der Südseite des Hauses aufgestapelt ist. Und dass der Qualm dieses Holzes mir zwar gerade in den Augen beißt, aber ein ganz bestimmtes Aroma hat, anders als die Buche, Fichte und Erle, die wir sonst verheizen. Und zum Räuchern verwenden.
Und dann fällt mir ein, wie es ohne Michi-Mike gehen könnte. Dafür aber mit dem David. Und dass ich ihn dringend wiedersehen muss, weil er mein Experiment am ehesten verstehen wird.
Es gibt keine von Natur aus goldenen Fische. Erst wenn man sie mit der richtigen Mischung aus Salz und Zucker räuchert, glänzen sie wie die Schnallen einer Louis-Vuitton-Tasche. Und heute Abend probiere ich an meinem frischen Fang meine neue Idee aus. Ich kann zwar das Ergebnis
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