Zipfelklatscher
Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, und tatsächlich, lautlos gleitet die Scheibe nach unten, und die Tussi streckt jetzt den Arm nach draußen und deutet nach vorne, Richtung Fraueninsel.
»Das Navi sagt: Ziel liegt vor Ihnen!«
Der Janni folgt ihrem ausgestreckten Zeigefinger.
»Zur Fraueninsel? Na klar, das ist die Fraueninsel, aber hinfahren kannst da nicht!«
»Aber das Navi sagt: Ziel liegt vor Ihnen!«
Sie nimmt die Sonnebrille ab und macht große verzweifelte Kulleraugen, Augen mit genau der richtigen Menge perlmuttfarbenem Lidschatten, das Gesicht blass und ebenmäßig mit ein paar roten Stressflecken drin.
»Ja scho, aber da ist Wasser dazwischen! Nämlich der Chiemsee!«
»Aber das Navi sagt: Ziel liegt vor Ihnen!«
»Nopi! Bring gleich die ganze Flasche!«
Janni trollt sich sofort folgsam Richtung Werkstatt. Ich bin mit der aufgeregten Person allein.
»Ganz neu, das Auto, hm? Und sicher ein tolles Navi, oder?«
»Ja! Und es sagt, hier geht es nach Frauenchiemsee!«
»Aber Frauenchiemsee ist eine Insel, Schatzi«, sage ich mit einer Stimme, die sich in der letzten Zeit bei Auseinandersetzungen mit meinem verwirrten Vater bewährt hat. »Jetzt steigst ein in mein Boot, ich fahr dich rüber!«
»Aber das Navi sagt: Ziel liegt vor Ihnen!«
»Und es hat auch gaaanz sicher recht, ganz ruhig«, nicke ich und reiche ihr das erste von drei Stamperln Nopi durchs Fenster. »Nur muss jetzt dein schönes Auto in die Werkstatt, weil ich schon nachschauen würde, wie dem Motor das Vollbad so bekommen ist. Drum fahren wir jetzt einfach Boot, gell?«
Ich lasse sie kurz stehen, damit sie über mein Angebot nachdenken kann, und nehme einfach mal das Rollköfferchen mit dem Burberry-Karo an mich, das im Kofferraum liegt, der Hund mit den seidigen Haaren springt in die Freiheit und stürzt sich sofort auf mich, weil er offensichtlich irgendetwas an meiner Latzhose wahnsinnig gut riechen kann. »Ich hab leider keinen Fisch dabei, ich rieche nur danach«, beruhige ich ihn, und weil er so dünn ist, dass der ganze Körper mitwedelt, jagt er mir auch keine Angst ein. Ich habe jedenfalls so einen Hund noch nie aus der Nähe gesehen, und auch das österreichische Kennzeichen auf dem SUV sagt mir nichts. »Autohaus Mittersill«, steht auf einem Aufkleber. Hm. Mittersill? Bestimmt so eine Seminartussi, die meint, mit Gorvinders Yoga ein entspannterer Mensch werden zu können. Die drei Nopis haben jedenfalls ihre Wirkung nicht verfehlt, sie hat sich inzwischen aus dem Jeep getraut und drückt Janni gerade ihren Autoschlüssel in die Hand. Ich schaue sie mir verstohlen an. Neben dem klobigen Auto wirkt sie wie eine Porzellanpuppe. Eine sehr dünne Porzellanpuppe. Marineblauer Trenchcoat mit goldenen Knöpfen, flache Schuhe mit einer Art goldener Pferdetrense dran, eine schneeweiße Jeans an den dünnen Beinen, sehr blonde Haare in einem straffen Pferdeschwanz, dessen Ende zu einer einzigen perfekten Korkenzieherlocke gedreht ist, Perlenohrringe, ein weites, weißes Blüschen und ein winziges Handtäschchen im gleichen Karo wie der Koffer. Sie ist jünger, als ich im ersten Moment gedacht hatte, da sieht man mal wieder, dass so eine Bonzenkarre und so ein Spießeroutfit leicht zwanzig Jahre älter machen.
Der Hund wedelt mich an, wenigstens er bedankt sich dafür, dass ich seinem durchgeknallten Frauchen geholfen habe. Er springt ohne Zögern ins Boot und setzt sich vorne in den Bug. Die Tussi hingegen steht herum, vielleicht wartet sie darauf, dass ich ihr den Koffer hineinhebe, aber ich reiche ihr nur die Hand und sage: »Servus, also ich bin die Kati, und deinen Koffer musst schon selber nehmen.«
»Clarissa«, murmelt sie, die Nase gerümpft bis zum schnurgerade gezogenen Scheitel. »Sind hier alle so unfreundlich?«
Ich, die an einem Tag wie heute durchaus Besseres zu tun gehabt hätte, als eine Navi-besessene Wohlstandzicke aus dem See zu holen, starre sie an und bin mir sicher, mich verhört zu haben.
»Mir Insulaner sind zu einem jeden nett, außer er gfoit uns ned!«, informiert sie der Janni. Er ist immerhin so galant, ihr beim Einsteigen die Hand zu reichen, während sie ihren Mantel an sich presst, um jede Berührung mit den Wannen und Bottichen in meinem Boot zu vermeiden. Aus ihrem Täschchen zaubert sie ein Tuch, mit Pferden und Füchsen und anderem adeligen Viehzeug bedruckt, und auf das setzt sie sich, damit sie nicht direkt mit der Bank in Berührung kommt. Na, die wird sich mal richtig wohlfühlen,
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