Zirkus zur dreizehnten Stunde
Traum, der dich nicht mehr erwachen lässt.“
Sein Blick haftete an dem ihren. Er fühlte sich wie in Trance, hatte keine Kontrolle mehr über seine Worte. „Wenn mein Tod durch dich geschieht, dann sterbe ich mit einem Lächeln.“
„Nicht du auch noch …“ Ihre Stimme sank zu einem Flüstern. Die Tränen wurden mehr und er schlang die Arme um sie. „Ich bin das Unglück, das jeden in die Schatten zieht. Ich bin die Finsternis, die dich langsam erstickt. Ich bin der Geist, der dir alles stiehlt und dich tötet. Ich bin die Kälte, die dir dein Leben raubt.“ Ihre Stimme zitterte. Sie war dabei in den Wahnsinn zu gleiten.
„Ich bin das Wesen, das dir deine Träume nimmt“, unterbrach Aramis sie. „Ich bin der Dieb deiner Zukunft.“
Einen Moment hielt sie inne.
Etwas … schien sich zu verändern …
Etwas begann sich langsam zu regen. Ein Winden und Heulen schien durch ihre gesamte Gestalt zu gehen. Es war als würde sie den aufkommenden Wahnsinn einfach wieder abstreifen. Langsam streckte sie sich ihm entgegen. Ihr Blick krallte sich in den seinen. Sie versank in seiner Umarmung.
„Wer bist du …?“, hauchten sie gleichzeitig. Eine seltsame Verbundenheit schien zwischen ihnen zu entstehen.
Der Nebel breitete sich weiter um Lillian aus und umfing Aramis’ Gestalt. Zarten Tentakeln gleich griff er um den Mann und zog ihn immer weiter hinab in eine Welt, die Aramis bis dahin nicht kannte. Sanfte Finger spielten in seinen Haaren und der Dunst verschleierte seinen Blick. Kühlende Luft traf auf heißen Wind. Langsam näherten sich ihre Lippen einander an. Der Traum begann …
15. IX – Der Eremit
Faith konnte nicht schlafen. Sie erwachte zum dritten Mal an diesem Abend. Alles dröhnte und die Bilder kamen jedes Mal wieder, wenn sie die Augen schloss. Es war grauenvoll. Die Kirche, die in Flammen aufging, Jacks Gesicht. Alles war einfach so … irreal.
Sie raffte sich auf. Die anderen im Wagen schliefen fest.
Brennende Kirchen, verzerrte Fratzen, endlose Blutlachen …
Faith rieb sich die Stirn. Woher kam das letzte Bild?
Warum war Jack ihr nur nachgelaufen? Warum war er ausgerastet?
„Engel töten!“, hatte er geschrien. Was meinte er nur damit? Das Ganze war einfach nur wirr. Mit entschlossenen Schritten verließ sie den Wagen. Sie musste raus, brauchte frische Luft. Kaum hatte sie ihren Raum verlassen, bemerkte sie, dass sie nicht die Einzige war, die heute nicht schlafen konnte. Wenige Meter entfernt sah sie Lillian. Neben ihr Aramis, der sich plötzlich umdrehte und weglief. Die Füchsin sah ihm nach, die Hand erhoben und sackte plötzlich zusammen.
Gerade wollte sie zu ihr, als auch die Frau aufsprang und davonlief. Einen Moment überlegte sie noch. Doch sie blieb stehen. Still. Eine Weile stand sie einfach da, ließ den Wind in ihren Haaren spielen und starrte zum Mond empor. Dann spürte sie etwas Leichtes an ihrer Hand. Ein Haar? Verwirrt sah sie an sich hinab. Nein, ein Faden? Er verlor sich in der Dunkelheit. Faith starrte noch einen Moment darauf, dann ging sie los. Wie von selbst lief sie dem leichten Funkeln hinterher.
Was tat sie hier eigentlich? Es war nur ein Faden, eine Spinnwebe, die durch die Luft flatterte. Einige weitere Schritte. Faith stoppte.
Vor ihr floss die Themse. Und dort am Ufer standen Aramis und Lillian. Die beiden lagen sich in den Armen. Ein Kuss. Ein sanfter Blick.
Die beiden schienen sich gefunden zu haben. Sie –
Faith sah erschrocken auf.
Aaron!
Plötzlich schlug alles über ihr zusammen. Er hatte sie in der Kirche zurückgelassen. Inzwischen musste der Brand in ganz London bekannt sein. Was dachte er nun?
Sofort fegte sie auf der Stelle herum und rannte zurück zum Lager.
Etwas war anders. Eine seltsame Aura wurde mit jedem Schritt fühlbarer. Es war wie ein leiser Hauch, ein seltsames Klingen, das Faith weiterführte.
Kein Lebenszeichen. Egal wie lange sie durch das Lager ging, egal wie viele Wagen sie öffnete. Egal wie sehr sie auch suchte und sich umsah. Alles blieb einfach irgendwie … tot …
Wo waren alle? Sie hatte doch erst vorhin noch Kate und Sina in ihrem Bett schlafen sehen.
Ihre Schritte führten sie zum Rand des Lagers. Von dort sah sie den Zirkus. Das gewaltige Zelt, umgeben von den vielen Ständen und kleineren Zelten. Etwas rief sie, etwas schien dort auf sie zu warten.
Faith ging los. Mit jedem Schritt schien das Klingen lauter zu werden. Deutlicher und kräftiger.
Dann sah sie es wieder. Ein weiterer Faden? Er
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