Zirkuskind
darin befand. Doch
Dhars höhnisches Lächeln hatte nicht einen Funken Interesse an ihr enthalten, so
daß Nancy überzeugt war, daß er sie abstoßend fand.
Sie ging ins Schlafzimmer
zurück, zog das unpassende Kleid aus und stand wieder nackt da. Sie wunderte sich
über sich selbst, als ihr klar wurde, daß sie für Inspector Dhar möglichst gut aussehen
wollte, weil sie eigentlich geglaubt hatte, ihn zu hassen. Aber eine seltsame Gewißheit
zwang sie, sich für ihn schönzumachen. Sie wußte, daß er kein echter Inspektor war,
traute ihm aber die entsprechenden Fähigkeiten zu. Irgendwie glaubte sie, daß nicht
ihr geliebter Mann, Vijay Patel, den Killer dingfest machen würde; auch der komische
Doktor würde nicht der Held sein. Es gab keinen bestimmten Grund – außer dem Kompetenz
ausstrahlenden Hohnlächeln eines Schauspielers –, doch Nancy glaubte felsenfest
daran, daß Inspector Dhar Rahul das Handwerk legen würde.
Doch was würde Dhar
gefallen? Sicher mochte er etwas Ausgefallenes, entschied Nancy. Ein flacher Grat
aus blondem Flaum zog sich von ihrem Schamhaar bis hinauf zum Nabel, der außergewöhnlich
lang und tief war. Wenn sich Nancy den Bauch mit Kokosnußöl einrieb, wurde dieser
blonde, pelzige Streifen ein bißchen dunkler und fiel mehr auf. Wenn sie einen Sari
anzöge, könnte sie ihren Nabel freilassen. Vielleicht würde Dhar ihr pelziger Nabel
gefallen. Vijay jedenfalls mochte ihn gern.
[623] 19
Unsere Liebe Frau die Siegreiche
Noch ein Autor auf der Suche nach einem
Schluß
Die zweite
Mrs. Dogar unterstellte Dhar ebenfalls unkonventionelle sexuelle Vorlieben. Für
den ehemaligen Rahul war es frustrierend, daß Inspector Dhar die Aufmerksamkeit
heischenden Blicke der verheirateten Frau nicht erwiderte. Und obwohl der mißbilligende
Mr. Sethna und Dr. Daruwalla Mrs. Dogars kokette Blicke bemerkt hatten, durchschaute
keiner der beiden Gentlemen den Ernst der Situation. Der ehemalige Rahul konnte
es nicht ertragen, wenn man ihn abblitzen ließ.
Während sich Farrokh
mit dem Anfang seines ersten anspruchsvollen Drehbuchs abgeplagt hatte, hatte die
zweite Mrs. Dogar ebenfalls den ersten Entwurf für eine Geschichte in Angriff genommen
und einen Plan ausgeheckt. Am Abend zuvor hatte sie ihren Mann im Duckworth Club
lauthals zurechtgewiesen, weil er zuviel getrunken hatte. Dabei hatte Mr. Dogar
nicht mehr als seinen üblichen Whiskey und zwei Bier zu sich genommen, so daß er
über die Vorwürfe seiner Frau ziemlich erstaunt war.
»Heute fährst du , heute darf ich trinken!« hatte Mrs. Dogar gesagt.
Sie hatte absichtlich
laut und im Beisein des stets mißbilligenden Mr. Sethna gesprochen – ein Kellner
und ein Hilfskellner hatten es ebenfalls gehört –, und mit ihrem Tadel bewußt gewartet,
bis im Ladies’ Garden, wo nur noch die betrübten Bannerjees bei ihrem frugalen Abendessen
saßen, eine Gesprächspause eintrat.
[624] Der Mord an Mr.
Lal hatte Mrs. Bannerjee so aus der Fassung gebracht, daß sie außerstande war zu
kochen, und die stockende Unterhaltung mit ihrem Mann hatte sich um die Frage gedreht,
wie Mr. Lals Witwe zu trösten sei.
Die Bannerjees wären
nie auf die Idee gekommen, daß der ungehörige Ausbruch der zweiten Mrs. Dogar ebenso
geplant war wie ihr Vorhaben, Mrs. Lal bald im Witwenstand Gesellschaft zu leisten.
Rahul hatte Mr. Dogar nur geheiratet, um seine Witwe zu werden.
Ebenso vorsätzlich
hatte sich Mrs. Dogar an Mr. Sethna gewandt und gesagt: »Mein lieber Mr. Sethna,
wären Sie wohl so nett, uns ein Taxi zu rufen? Mein Mann ist nicht in der Verfassung,
uns nach Hause zu fahren.«
»Promila, bitte…«,
begann Mr. Dogar.
»Gib mir die Schlüssel«,
herrschte sie ihn an. »Du kannst mit mir zusammen ein Taxi nehmen oder dir ein eigenes
Taxi rufen lassen, aber selbst fahren wirst du nicht.«
Schüchtern händigte
Mr. Dogar ihr seinen Schlüsselbund aus.
»Jetzt bleib bloß
hier sitzen, komm ja nicht auf die Idee, aufzustehen und hier herumzulaufen«, sagte
Mrs. Dogar zu ihrem Mann, während sie selbst sich erhob. »Warte auf mich«, befahl
sie ihm – dem in Ungnade gefallenen Fahrer. Sobald Mr. Dogar allein war, warf er
einen vorsichtigen Blick zu den Bannerjees hinüber, die jedoch wegschauten. Nicht
einmal der Kellner würdigte den geschmähten Trunkenbold eines Blickes, und der Hilfskellner
hatte sich nach draußen auf die runde Auffahrt verkrümelt, um eine Zigarette zu
rauchen.
Rahul stoppte die
Zeit für sein Vorhaben. Er – oder vielmehr
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