Zirkuskind
Patel zu Dhar. »Ich glaube, Sie
wollen es wirklich.«
»Also gut«, sagte Dhar. »Einverstanden. Ja, ich mache es.«
Zum erstenmal während
des ausgedehnten Mittagessens lächelte Patel. »Jetzt, nachdem es mir gelungen ist,
Sie zu bestechen, geht es mir besser«, erklärte er Dhar. »Verstehen Sie? Im Grunde
ist Bestechung nicht mehr… nur etwas, was man gern möchte, im Austausch für etwas
anderes. Keine aufregende Sache, oder?«
»Wir werden sehen«,
meinte Dhar. Als er Nancy ansah, hielt sie seinem Blick stand.
»Kein höhnisches
Lächeln«, sagte Nancy.
»Herzchen«, sagte
Detective Patel und ergriff ihre Hand.
»Ich muß auf die
Toilette«, sagte sie. »Und Sie werden mir zeigen, wo sie ist«, sagte sie zu Dhar.
Doch bevor seine Frau oder der Schauspieler aufstehen konnten, hielt der Kommissar
sie zurück.
»Nur noch eine Kleinigkeit,
bevor ihr geht«, sagte er. »Was soll dieser Unsinn, daß Sie und der Zwerg sich mit
Prostituierten in der Falkland Road prügeln? Was hat dieser Unfug zu bedeuten?«
fragte Detective Patel den Schauspieler.
»Das war nicht er«,
antwortete Dr. Daruwalla rasch.
»Dann ist also etwas
dran an dem Gerücht über den Dhar-Hochstapler?« fragte der Detective.
»Kein Hochstapler,
ein Zwillingsbruder«, entgegnete der Doktor.
»Sie haben einen
Zwillingsbruder?« fragte Nancy den Schauspieler.
»Einen eineiigen«,
sagte Dhar.
»Schwer zu glauben«,
meinte Nancy.
[694] »Sie sind sich
überhaupt nicht ähnlich, aber trotzdem sind sie eineiige Zwillinge«, erläuterte
Farrokh.
»Nicht unbedingt
die günstigste Zeit, um einen Zwillingsbruder in Bombay zu haben«, erklärte Detective
Patel dem Schauspieler.
»Keine Sorge, der
ist aus der Schußlinie. Er ist Missionar!« erklärte Farrokh.
»Gott steh uns bei«,
sagte Nancy.
»Und außerdem bringe
ich ihn für zwei Tage und eine Nacht aus der Stadt«, klärte Dr. Daruwalla die anderen
auf. Dann fing er an, die Sache mit den Kindern und dem Zirkus zu erklären, aber
niemand interessierte sich dafür.
»Die Damentoilette«, sagte Nancy zu Dhar. »Wo ist sie?«
Dhar wollte ihren
Arm nehmen, aber sie ging bereits an ihm vorbei, ohne daß er sie berührte. Er folgte
ihr in die Eingangshalle. Fast alle Leute im Speisesaal sahen ihr nach – der Frau,
die auf dem Stuhl gestanden hatte.
»Es wird Ihnen guttun,
ein paar Tage aus der Stadt hinauszukommen«, sagte der Kommissar zu Dr. Daruwalla.
Zeit zu verschwinden, dachte Farrokh. Dann wurde ihm klar, daß selbst der Augenblick,
in dem Nancy mit Dhar den Ladies’ Garden verlassen hatte, geplant gewesen war.
»Gibt es etwas,
was sie ihm sagen soll, etwas, was nur sie ihm sagen kann, und nur unter vier Augen?«
fragte der Doktor den Detective.
»Wirklich eine ausgezeichnete
Frage«, entgegnete Patel. »Sie lernen schnell, Doktor«, fügte er hinzu. »Ich möchte
wetten, daß Sie jetzt bessere Drehbücher schreiben könnten.«
[695] Eine Drei-Dollar-Note?
In der
Eingangshalle sagte Nancy zu Dhar: »Ich habe fast so viel an Sie gedacht wie an
Rahul. Manchmal haben Sie mich noch mehr durcheinandergebracht.«
»Ich hatte nie die
Absicht, Sie durcheinanderzubringen«,erwiderte Dhar.
»Was haben Sie denn
beabsichtigt? Und was beabsichtigen Sie jetzt?« fragte sie ihn.
Als er ihr nicht
antwortete, fragte Nancy: »Wie hat es Ihnen gefallen, mich vom Stuhl zu heben? Es
scheint, daß Sie michjedesmal tragen. Bin ich Ihnen schwerer vorgekommen?«
»Wir sind beide
ein bißchen schwerer als damals«, antwortete Dhar vorsichtig.
»Ich bin ein ziemlicher
Brocken, und das wissen Sie genau«, sagte Nancy. »Aber ich bin kein Dreck… das war
ich nie.«
»Ich habe Sie nie
für Dreck gehalten«, erklärte Dhar.
»Sie sollten nie
jemanden so ansehen, wie Sie mich ansehen«, sagte Nancy. Er tat es wieder; er setzte
wieder sein höhnisches Lächeln auf. »Genau das meine ich«, sagte sie. »Ich hasse
Sie deswegen – weil Sie mir so ein furchtbares Gefühl geben. Es führt dazu, daß
ich später, wenn Sie fort sind, ständig an Sie denken muß. Ich habe zwanzig Jahre
lang an Sie gedacht.« Sie war knapp zehn Zentimeter größer als der Schauspieler.
Als sie plötzlich die Hand ausstreckte und seine Oberlippe berührte, verschwand
sein Hohnlächeln. »Schon besser. Jetzt sagen Sie was«, forderte Nancy ihn auf. Aber
Dhar mußte an den Dildo denken – und ob sie ihn noch hatte. Ihm fiel nichts Passendes
ein. »Wissen Sie, Sie sollten sich allmählich klarmachen, wie Sie auf andere
Weitere Kostenlose Bücher