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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ihre füllige Gestalt auf
dem Stuhl recht eindrucksvoll.
    »Ich spüre etwas«,
sagte sie.
    »Fahren Sie mit
den Fingern die Rinne entlang«, sagte Dr. Daruwalla.
    »Wonach soll ich
denn suchen?« fragte Nancy.
    »Das werden Sie
gleich spüren«, sagte der Doktor. »Ich glaube, es ist die Kappe Ihres Stifts.«
    Sie mußten sie festhalten,
sonst wäre sie vom Stuhl gefallen, denn ihre Finger ertasteten das Ding fast in
dem Augenblick, in dem der Doktor ihr gesagt hatte, was es war.
    »Versuch sie möglichst
wenig anzufassen, halt sie nur ganz leicht fest«, sagte der Kommissar zu seiner
Frau. Sie ließ die Kappe auf den Steinboden fallen, und der Detective hob sie mit
Hilfe einer Serviette auf, wobei er nur die Klammer berührte.
    [691]  »›India‹«, sagte
Patel laut, als er die Gravur las, die zwanzig Jahre lang von ›Made in‹ getrennt
gewesen war.
    Dhar hob Nancy vom
Stuhl herunter. Sie kam ihm schwerer vor als vor zwanzig Jahren. Sie sagte, sie
müsse einen Augenblick mit ihrem Mann allein reden. Flüsternd standen die beiden
im Ladies’ Garden beisammen, während Farrokh und John D. zusahen, wie sich der Ventilator
wieder in Bewegung setzte. Dann begaben sie sich nach draußen zum Detective und
seiner Frau, die an den Tisch zurückgekehrt waren.
    »Jetzt haben Sie
sicher Rahuls Fingerabdrücke«, sagte Dr. Daruwalla zum Kommissar.
    »Wahrscheinlich«,
meinte Detective Patel. »Wenn Mrs. Dogar das nächste Mal hier ißt, soll uns der
Butler ihre Gabel oder ihren Löffel aufheben – zum Vergleich. Aber ihre Fingerabdrücke
auf der Stiftkappe bringen sie nicht zwangsläufig mit dem Verbrechen in Verbindung.«
    Dr. Daruwalla berichtete
den anderen von der Krähe. Diese hatte die Kappe eindeutig von den Bougainvilleen
beim neunten Green angeschleppt. Krähen sind Aasfresser.
    »Aber was sollte
Rahul mit der Stiftkappe gemacht haben… ich meine, während sie Mr. Lal ermordet
hat?« fragte Detective Patel.
    »Aus Ihrem Mund
hört sich das an, als müßten Sie erst noch einen Mord miterleben«, sprudelte Dr.
Daruwalla frustriert hervor. »Oder erwarten Sie vielleicht, daß Mrs. Dogar ein umfassendes
Geständnis ablegt?«
    »Wir müssen Mrs.
Dogar nur glauben machen, daß wir mehr wissen, als tatsächlich der Fall ist«, antwortete
der Kommissar.
    »Das ist kein Problem«,
sagte Dhar plötzlich. »Man erzählt dem vermeintlichen Mörder, was der Mörder gestehen
würde, wenn er ein Geständnis ablegen würde. Der Trick dabei ist, ihn glauben zu
machen, daß man genau weiß, wer der Mörder ist.«
    »Genau«, sagte Patel.
    [692]  »Genau wie in Inspector
Dhar und der hängende Mali, was?« fragte Nancy den Schauspieler mit ironischem Unterton.
    »Sehr gut«, sagte
Dr. Daruwalla.
    Diesmal tätschelte
Detective Patel nicht Dhars Handrücken, sondern klopfte ihm mit seinem Dessertlöffel
auf einen Knöchel – nur einmal, aber kräftig. »Jetzt aber im Ernst«, sagte der Kommissar.
»Ich werde Sie jetzt zu bestechen versuchen, mit etwas, was Sie sich schon immer
gewünscht haben.«
    »Da gibt es nichts«,
entgegnete Dhar.
    »Ich glaube doch«,
erwiderte der Detective. »Ich glaube, Sie würden gerne einen echten Polizisten spielen.
Ich glaube, Sie würden gerne eine echte Verhaftung vornehmen.«
    Dhar sagte kein
Wort, er lächelte nicht einmal höhnisch.
    »Glauben Sie, daß
Mrs. Dogar Sie noch immer attraktiv findet?« fragte ihn der Detective.
    »Aber garantiert!
Sie sollten mal sehen, wie sie ihn immer anschaut!« rief Dr. Daruwalla.
    »Ich habe ihn gefragt«, sagte Detective Patel.
    »Ja, ich glaube,
sie will mich«, antwortete Dhar.
    »Natürlich will
sie ihn«, sagte Nancy ärgerlich.
    »Und wenn ich Ihnen
sagen würde, wie Sie sich an sie heranmachen sollen, glauben Sie, Sie könnten das…
ich meine, genauso, wie ich es Ihnen sage?« fragte der Detective den Schauspieler.
    »Aber sicher. Geben
Sie ihm irgendeinen Text, er hält sich dran!« rief Dr. Daruwalla.
    »Ich frage Sie «, sagte der Polizist zu Dhar. Diesmal
schlug der Dessertlöffel so hart auf Dhars Knöchel, daß dieser die Hand vom Tisch
wegzog.
    »Sie wollen ihr
eine Falle stellen, habe ich recht?« fragte Dhar den Kommissar.
    »Genau«, sagte Patel.
    »Und ich brauche
nur Ihren Anweisungen zu folgen?« fragte der Schauspieler.
    [693]  »Jawohl, ganz
genau«, sagte der Kommissar.
    »Du schaffst das!«
erklärte Dr. Daruwalla.
    »Darum geht es nicht«,
meinte Nancy.
    »Es geht darum,
ob Sie das wirklich tun wollen«, sagte Detective

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