Zirkuskind
beobachten, daß die Frau mit dem flaumigen Nabel sehr wenig aß. Ihr ungehobelter
Mann verspeiste außer seiner Portion noch die Hälfte der ihren. In einem anständigen
Club wäre es den Gästen nicht gestattet, vom Teller eines anderen zu essen, dachte
Mr. Sethna. Er ging in die Herrentoilette und stellte sich vor den großen Spiegel,
in dem er so aussah, als würde er zittern. Er hielt das silberne Tablett in einer
Hand und schlug es an den Handballen der anderen, doch das entstehende Geräusch
– ein gedämpftes Dröhnen – verschaffte ihm wenig Befriedigung. Der alte Butler kam
zu dem Ergebnis, daß erPolizeibeamte nicht ausstehen konnte.
Farrokh erinnert sich an die Krähe
Im Ladies’
Garden hatte sich die frühe Nachmittagssonne schräg über die Kuppe des Laubendachs
geschoben und fiel jetzt nicht mehr auf die Köpfe der Speisenden. Nur noch stellenweise
drangen vereinzelte Sonnenstrahlen durch die Sträucherwand. Das Tischtuch war unregelmäßig
mit Lichttupfern gesprenkelt, und Dr. Daruwalla betrachtete das winzige Sonnenkaro,
das von der unteren Hälfte des Kugelschreibers reflektiert wurde. Der strahlend
weiße Lichtfleck blendete den Doktor, während er in seinem aufgeweichten, fritierten
Gemüse herumstocherte. Das schlaffe Zeug mit seinen abgestumpften Farben erinnerte
ihn an die Regenzeit.
In dieser Jahreszeit
würde der Ladies’ Garden mit den [689] abgefallenen Blütenblättern der Bougainvilleen
übersät sein, und nur die kahlen Ranken würden sich noch an das Laubengestänge klammern,
durch das man den bräunlichen Himmel sehen und durch das es hindurchregnen würde.
Sämtliche Korb- und Rattanmöbel wurden dann im Ballsaal aufeinandergestapelt, denn
in der Regenzeit fanden keine Tanzveranstaltungen statt. Die Golfspieler saßen dann
in der Bar des Clubhauses vor ihren Drinks und blickten durch die regengestreiften
Fensterscheiben unglücklich auf die aufgeweichten Fairways hinaus. Und der Wind
blies verwilderte Büschel abgestorbener Pflanzenteile über die Greens.
Das Essen am »chinesischen
Tag« fand Farrokh jedesmal deprimierend, aber die blinkende Sonne, die sich im unteren
Teil des silbernen Kugelschreibers spiegelte, erinnerte ihn an etwas, was ihm irgendwann
aufgefallen war und jetzt in seinem Gedächtnis aufblitzte. Aber was? Dieses gespiegelte
Licht, dieses glänzende Etwas… so klein und weit weg, aber so eindeutig vorhanden
wie das ferne Licht eines anderen Flugzeugs, wenn man nachts durch die unendliche
Dunkelheit über dem Arabischen Meer fliegt.
Farrokh ließ seinen
Blick in den Speisesaal und zu den offenen Verandatüren wandern, durch die die kleckernde
Krähe geflogen war. Er betrachtete den Deckenventilator, auf dem die Krähe gelandet
war, und sein Blick blieb daran hängen, als wartete er nur darauf, daß der Ventilator
ins Stocken geraten oder der Mechanismus sich irgendwo verhaken würde – an diesem
glänzenden Etwas, das die kleckernde Krähe im Schnabel gehabt hatte. Was immer es
war, es war so groß, daß sie es nicht verschluckt haben konnte, dachte Dr. Daruwalla.
Sodann äußerte er eine kühne Vermutung.
»Ich weiß, was es
war«, sagte der Doktor laut. Sonst hatte niemand gesprochen. Die anderen sahen ihn
nur verwundert an, als er den Tisch im Ladies’ Garden verließ und in den Speisesaal
ging, wo er sich direkt unter den Deckenventilator stellte. Dann zog er [690] sich
einen freien Stuhl vom nächstbesten Tisch heran. Doch als er hinaufstieg, stellte
sich heraus, daß er zu klein war, um über die Ventilatorblätter hinweglangen zu
können.
»Schalten Sie den
Ventilator aus!« rief Dr. Daruwalla Mr. Sethna zu, dem das eigenwillige Benehmen
des Doktors – und seines Vaters vor ihm – nicht fremd war. Der alte Butler schaltete
den Ventilator aus. Die meisten Gäste im Speisesaal hatten zu essen aufgehört.
Dhar und Detective
Patel erhoben sich vom Tisch im Ladies’ Garden und wollten Farrokh zu Hilfe eilen,
aber der winkte sie weg. »Wir sind alle nicht groß genug«, erklärte er. »Nur sie
ist groß genug.« Dabei deutete er auf Nancy. Auch er befolgte den guten Rat, den
der Kommissar Mr. Sethna gegeben hatte. (»Dann sehen Sie in Zukunft genauer hin.«)
Der Ventilator wurde
langsamer, und bis die drei Männer Nancy auf den Stuhl geholfen hatten, standen
die Blätter still.
»Langen Sie einfach
über die Aufhängung hinweg«, instruierte sie der Doktor. »Können Sie eine Rinne
entdecken?« Als Nancy den Mechanismus abtastete, wirkte
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