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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Detective.
    Die alte Geschichte mit der Haßliebe
    Im Ladies’
Garden fiel die Sonne jetzt schräg durch das Gittergeflecht der Laube. Der Schatten
der rosa Bougainvilleenblüten sprenkelte das Tischtuch gleicher Farbe, von dem Mr.
Sethna die Krümel weggebürstet hatte. Es schien ihm, als wollten Dhar und Dr. Daruwalla
den Tisch nie mehr verlassen. Sie hatten längst aufgehört, über Rahul zu reden –
oder vielmehr über Mrs. Dogar. Im Augenblick interessierten sich beide mehr für
Nancy.
    »Aber was genau
stimmt deiner Meinung nach nicht mit ihr?« fragte Farrokh John D.
    »Wie es aussieht,
haben sich die Ereignisse der letzten zwanzig Jahre nachhaltig auf sie ausgewirkt«,
antwortete Dhar.
    »Ach, Elefantenkacke!«
rief Dr. Daruwalla. »Kannst du nicht ein einziges Mal sagen, was du wirklich meinst?«
    »Also gut«, sagte
Dhar. »Es sieht so aus, als seien sie und ihr [699]  Mann ein echtes Paar… als würden
sie sich wirklich lieben und so weiter.«
    »Ja, wie es aussieht,
ist das bei ihnen die Hauptsache«, pflichtete der Doktor ihm bei. Gleichzeitig wurde
ihm klar, daß ihn diese Beobachtung nicht sonderlich interessierte. Schließlich
war er noch immer in Julia verliebt, und er war länger verheiratet als Detective
Patel. »Aber was ist zwischen euch beiden passiert, zwischen dir und ihr?« wollte
er von Dhar wissen.
    »Die alte Geschichte
mit der Haßliebe«, antwortete John D. ausweichend.
    »Als nächstes wirst
du mir noch erzählen, daß die Erde rund ist«, sagte Farrokh, aber der Schauspieler
zuckte lediglich die Achseln. Plötzlich war es nicht mehr Rahul (beziehungsweise
Mrs. Dogar), die Dr. Daruwalla angst machte, sondern Dhar. Jetzt hatte er Angst
vor Dhar, weil er auf einmal merkte, daß er ihn im Grunde genommen nicht kannte
– nicht einmal nach all den Jahren. Wie so oft, wenn etwas Unangenehmes im Anzug
war, dachte Farrokh an den Zirkus. Doch als er abermals auf seine bevorstehende
Fahrt nach Junagadh zu sprechen kam, stellte er fest, daß sich John D. nach wie
vor nicht dafür interessierte.
    »Wahrscheinlich
denkst du, daß dieses Unternehmen zum Scheitern verurteilt ist. Wieder so ein Rettet-die-Kinder-Projekt«,
sagte Dr. Daruwalla. »Wie Münzen in einem Brunnen, wie Kiesel im Meer.«
    »Es hört sich an,
als würdest du glauben, daß es zum Scheitern verurteilt ist«, erklärte Dhar.
    Es ist wirklich
Zeit zu verschwinden, dachte der Doktor. Dann entdeckte er die Tüte mit dem Hawaiihemd,
die Detective Patel unter seinem Stuhl liegengelassen hatte. Als beide Männer aufstanden,
um zu gehen, zog der Doktor das auffallende Hemd aus der Tüte.
    »Also, sieh dir
das an. Der Kommissar hat doch tatsächlich etwas vergessen. Wie untypisch«, bemerkte
John D.
    [700]  »Ich bezweifle,
daß er es vergessen hat. Ich glaube, er wollte, daß du es nimmst«, sagte Dr. Daruwalla.
Spontan hielt er das wilde Durcheinander von Papageien und Palmen hoch; auch Blumen
waren auf dem Hemd – rot und orange und gelb vor einem unwirklich grünen Dschungel.
Farrokh hielt Dhar das Hemd an die Schultern. »Es hat die richtige Größe für dich«,
bemerkte der Doktor. »Bist du sicher, daß du es nicht haben willst?«
    »Ich hab schon genug
Hemden«, sagte der Schauspieler. »Gib es meinem verdammten Zwillingsbruder.«

[701]  21
    Flucht aus Maharashtra
    Gegen die Tollwut gewappnet
    Am nächsten
Morgen fand Julia ihren Mann wieder mit dem Kopf auf dem Glastisch im Wohnzimmer;
diesmal lag sein Gesicht auf einem Bleistift. Aus Farrokhs letzten Notizen ging
hervor, daß die Titelsuche noch im Gange war. Da stand Löwenpisse (zum Glück durchgestrichen) und Tobende
Hormone (ebenfalls
durchgestrichen, wie sie erleichtert feststellte), während der Titel, der dem Drehbuchautor
anscheinend gefallen hatte, bevor er einschlief, eingekringelt war. Julia hatte
so ihre Zweifel, ober als Filmtitel taugte. Er lautete Limo-Roulette und erinnerte Julia an einen dieser
abstrusen französischen Filme, die man selbst dann nicht verstand, wenn man die
Untertitel Wort für Wort mitlas.
    Aber an diesem Morgen
war Julia viel zu beschäftigt, um sich die Zeit zu nehmen, die neuen Seiten zu lesen.
Sie weckte Farrokh, indem sie ihm ins Ohr blies. Während er in der Badewanne saß,
machte sie ihm Tee. Sie hatte ihm bereits sein Wasch- und Rasierzeug und Kleidung
zum Wechseln eingepackt und ihn wegen seiner Gewohnheit gehänselt, eine medizinische
Notfallausrüstung von eindeutig paranoiden Ausmaßen mitzunehmen; schließlich

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