Zirkuskind
dunkle Seite, meine böse
Hälfte.«
»Deine gewitztere
Hälfte, meinst du«, widersprach John D.
[941] »Er war genau
wie der Teufel. Erschreckend arrogant«, berichtete Martin Farrokh.
»Ich habe ihm einfach
nur gesagt, daß ich weiß, wer er ist«, verteidigte sich John D.
»Du hast nichts
dergleichen gesagt«, warf Martin ein. »Du hast gesagt: ›Leg deinen verdammten Sitzgurt
an, Freundchen, denn gleich wirst du eine schöne Überraschung erleben!‹ «
»Das hört sich ganz
nach dir an«, sagte Farrokh zu dem Schauspieler.
»Ich bin überhaupt
nicht zu Wort gekommen«, beschwerte sich John D. »Da saß ich und wußte alles über
ihn, aber er hat in einem fort geredet und geredet. Auf dem ganzen Flug nach Zürich
hat er den Mund nicht mehr zugekriegt.«
Dr. Daruwalla mußte
zugeben, daß sich das ganz nach Martin Mills anhörte.
»Ich dachte die
ganze Zeit: Das ist Satan. Kaum gebe ich den Gedanken an das Priestertum auf, begegne
ich dem Teufel… in der ersten Klasse! Er hatte ständig dieses höhnische Lächeln
auf«, sagte Martin. »Ein satanisches Hohnlächeln, jedenfalls kam es mir so vor.«
»Er hat sofort von
Vera angefangen, unserer heiligmäßigen Mutter«, berichtete John D. »Wir waren noch
über dem Arabischen Meer – über und unter uns tiefste Dunkelheit –, als er zu dem
Selbstmord seines Zimmergenossen kam. Bis dahin hatte ich noch kein Wort gesagt!«
»Das stimmt nicht,
er hat mich die ganze Zeit unterbrochen«, widersprach Martin. »Er fragte mich andauernd:
›Bist du schwul, oder weißt du es bloß noch nicht?‹ Also ehrlich, für meine Begriffe
war er der ungehobeltste Mensch, der mir je begegnet ist!«
»Jetzt hör mal«,
sagte der Schauspieler. »Du triffst in einem Flugzeug zum erstenmal deinen Zwillingsbruder
und fängst auf der Stelle an, alle Leute aufzuzählen, mit denen deine Mutter [942] geschlafen
hat. Und ausgerechnet du hältst mich für ungehobelt.«
»Du hast mich als
›Drückeberger‹ bezeichnet, noch bevor wir unsere Reiseflughöhe erreicht hatten«,
sagte Martin.
»Aber du hast ihm
doch sicher erst mal gesagt, daß du sein Zwillingsbruder bist«, sagte Farrokh zu
John D.
»Nichts dergleichen«,
sagte Martin Mills. »Er hat gesagt: ›Die schlechte Nachricht kennst du ja bereits:
Dein Vater ist gestorben. Jetzt kommt die gute Nachricht: Er war gar nicht dein
Vater.‹ «
»Das kann doch nicht
wahr sein!« sagte Dr. Daruwalla zu John D.
»Ich kann mich nicht
mehr erinnern«, antwortete der Schauspieler jedesmal.
»Das Wort ›Zwillinge‹…
verratet mir wenigstens, wer es als erster ausgesprochen hat?« fragte der Doktor.
»Ich habe die Stewardess
gefragt, ob sie eine Ähnlichkeit zwischen uns feststellen kann. Sie war die erste,
die das Wort ›Zwillinge‹ in den Mund genommen hat«, antwortete John D.
»Ganz so war es
nicht«, wandte Martin ein. »Um genau zu sein, sagte er zu der Stewardess: ›Wir sind
bei der Geburt getrennt worden. Raten Sie mal, wer von uns das fröhlichere Leben
geführt hat.‹ «
»Er hat die üblichen
Ausflüchte gebraucht und alles abgestritten«, konterte daraufhin John D. »Er hat
mich immer wieder gefragt, ob ich beweisen könnte, daß wir verwandt sind.«
»Er war ausgesprochen
unverschämt«, erklärte Martin Farrokh. »Er hat gesagt: ›Du kannst nicht leugnen,
daß du zumindest eine homosexuelle Schwärmerei gehabt hast… da hast du deinen Beweis.‹
«
»Ganz schön dreist
von dir«, sagte der Doktor zu John D. »Tatsächlich beträgt die Wahrscheinlichkeit
zweiundfünfzig Prozent, daß…«
[943] »Mir war auf
den ersten Blick klar, daß er schwul ist«, sagte der Filmschauspieler im Ruhestand.
»Aber wann habt
ihr gemerkt, wieviel ihr… sonst noch gemeinsam habt?« wollte Dr. Daruwalla wissen.
»Wann habt ihr angefangen, gemeinsame Charakterzüge festzustellen? Wann haben sich
eure offensichtlichen Ähnlichkeiten gezeigt?«
»Ach, lange bevor
wir Zürich erreicht hatten«, antwortete Martin rasch.
»Welche Ähnlichkeiten?«
fragte John D.
»Genau das meine
ich mit arrogant. Er ist arrogant und ungehobelt«, erklärte Martin Farrokh.
»Und wann hast du
beschlossen, nicht nach New York zu fliegen?« fragte der Doktor den ehemaligen Missionar.
Er interessierte sich besonders für den Teil der Geschichte, in dem die Zwillinge
Vera die Meinung sagten.
»Wir haben noch
vor der Landung das Telegramm an das Miststück aufgesetzt«, antwortete John D.
»Und was stand in
dem Telegramm?« fragte
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