Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Warnung
niedergeschossen werden. Den fundamentalistischen Hindus paßte es gar nicht, daß
Rao versprach, die Moschee wiederaufbauen zu lassen. Sie behaupteten weiterhin,
die Moschee sei am Geburtsort des Hindugottes Rama erbaut worden, und hatten bereits
angefangen, auf dem Gelände der zerstörten Moschee einen Tempel für Rama zu errichten.
Dr. Daruwalla war überzeugt, daß die Feindseligkeiten ewig weitergehen würden. Die
Gewalt würde andauern; sie war stets das, was sich am längsten hielt.
    Obwohl man Madhu
vermutlich nie finden würde, stellte Detective Patel weiterhin Nachforschungen an.
Inzwischen war die Kindprostituierte eine junge Frau – falls sie überhaupt noch
mit dem Aids-Virus lebte, was eher unwahrscheinlich war.
    »Wenn wir abstürzen,
verbrennen wir dann oder zerreißt es uns in kleine Stücke?« hatte Madhu Dr. Daruwalla
damals im Flugzeug gefragt. »Irgend etwas wird mich erwischen«, hatte sie dem Doktor
erklärt. Farrokh konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Er stellte sich Madhu
stets zusammen mit Mr. Garg vor, wie sie von Junagadh nach Bombay fuhren, um dem
Great Blue Nile zu entrinnen. Obwohl es als äußerst schändlich galt, hatten sie
wahrscheinlich Kontakt gehabt, nicht einmal heimlich – da sie sich aufgrund der
Fehlinformation, daß ihnen bloß ein paar Chlamydien zu schaffen machten, sicher
fühlten.
    [937]  Und fast wie
der Kommissar vorausgesagt hatte, sollte die zweite Mrs. Dogar den schrecklichen
Versuchungen nicht widerstehen können, die sich ihr während der Gefangenschaft mit
anderen Frauen boten. Sie biß einer Mitgefangenen die Nase ab, und als sie daraufhin
zu extrem harter Zwangsarbeit abgestellt wurde, rebellierte sie. Es sollte sich
erübrigen, Rahul zu hängen, weil sie von den Aufsehern zu Tode geprügelt wurde.
    In einem anderen
Winkel des Landes setzte sich Ranjit irgendwann zur Ruhe und heiratete noch einmal.
Dr. Daruwalla hatte die Frau, die sich am Ende seinen getreuen Sekretär mit ihrer
Heiratsannonce in der ›Times of India‹ angelte, nie kennengelernt. Die Anzeige jedoch
hatte der Doktor gelesen; Ranjit hatte sie ihm geschickt. »Attraktive, junggebliebene
Frau – schuldlos geschieden, kinderlos – sucht reifen Mann, vorzugsweise Witwer.
Sauberkeit und Anstand zählen noch.« In der Tat, dachte der Doktor, das tun sie.
Julia meinte im Spaß, daß sich Ranjit wahrscheinlich von der Interpunktion der Frau
angezogen gefühlt hatte.
    Andere Paare kamen
und gingen, ohne daß sich Grundsätzliches an Paarbeziehungen geändert hätte. Sogar
die leichtfertige Amy Sorabjee hatte geheiratet. (Gott stehe ihrem Mann bei.) Und
obwohl Mrs. Bannerjee gestorben war, blieb Mr. Bannerjee nicht lange Witwer; er
heiratete die Witwe Lal. Daß der sich treu bleibende Mr. Sethna diese anstößigen
Verbindungen mißbilligte, versteht sich von selbst.
    Starr an seinen
Gewohnheiten festhaltend, regierte der alte Butler den Speisesaal des Duckworth
Club und den Ladies’ Garden nach wie vor mit eiserner Hand, die dem Vernehmen nach
durch sein neuerworbenes Selbstverständnis als vielversprechender Schauspieler noch
eiserner geworden war. Dr. Sorabjee schrieb Dr. Daruwalla, Mr. Sethna sei dabei
ertappt worden, wie er vor dem Spiegel in der Herrentoilette Monologe geführt habe
– lange Monologe, wie auf der Bühne. Im übrigen [938]  sei der alte Butler Kommissar
Patel sklavisch ergeben – nicht allerdings der kräftigen blonden Frau, die den geschätzten
Detective auf Schritt und Tritt begleitete. Anscheinend hielt sich der berühmte,
Tee ausgießende Parse auch für einen vielversprechenden Polizisten. Kriminalistische
Nachforschungen waren in Mr. Sethnas Augen ohne Zweifel eine höhere Form von Indiskretion.
    Erstaunlicherweise
gab es einmal etwas, was der alte Butler billigte! Daß der Kommissar und seine amerikanische
Frau auf absolut unüblichem Weg Mitglieder des Duckworth Club geworden waren, schien
Mr. Sethna nicht zu stören; dafür störte es viele gestrenge Duckworthianer. Der
Kommissar hatte eindeutig keine zweiundzwanzig Jahre auf seine Mitgliedschaft gewartet.
Obwohl Detective Patel die Anforderung erfüllte, eine »führende Persönlichkeit des
öffentlichen Lebens« zu sein, deutete seine sofortige Aufnahme in den Club darauf
hin, daß jemand die Vorschriften gebeugt hatte – jemand hatte ein Schlupfloch gesucht
(und gefunden). Für viele Duckworthianer kam die Mitgliedschaft des Kriminalbeamten
einem Wunder gleich; gleichzeitig hielten sie sie

Weitere Kostenlose Bücher