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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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werden?
In einem Film würde das garantiert nicht funktionieren – nicht einmal in einem Inspector-Dhar-Film.
    In dem Augenblick
wurde dem Doktor klar, daß Mr. Lals Mörder jemand sein mußte, den Mr. Lal kannte.
Doch falls der Mörder ein anderer Golfspieler gewesen war – der vermutlich seine
eigene Schlägertasche dabeihatte –, warum hätte er dann Mr. Lals Putter benutzen
sollen? Und was jemand, der nicht Golf spielte, in der Umgebung des neunten Green
zu suchen gehabt hätte – ohne Mr. Lals Verdacht zu erregen –, überstieg zumindest
im Augenblick die Vorstellungskraft von Inspector Dhars Erfinder.
    Farrokh fragte sich,
was für Hunde im Kopf des Killers bellen mochten. Wütende Hunde vermutlich, denn
im Hirn des Mörders herrschte eine erschreckende Irrationalität; im Vergleich dazu
würden selbst die Vorgänge in Dr. Aziz’ Hirn vernünftig erscheinen. Doch dann wurden
Farrokhs Spekulationen über dieses Thema von der dritten telefonischen Nachricht
unterbrochen. Der Anrufbeantworter war wirklich unerbittlich.
    »Meine Güte!« schrie
die namenlose Stimme. Sie hörte sich derart krankhaft überschwenglich an, daß Dr.
Daruwalla davon ausging, daß sie niemandem gehörte, den er kannte.

[244]  8
    Zu viele Nachrichten
    Ausnahmsweise wissen die Jesuiten
nicht alles
    Zunächst
erkannte Farrokh die hysterische Begeisterung gar nicht, die die Stimme des stets
optimistischen Pater Cecil auszeichnete; er war zweiundsiebzig und geriet daher
angesichts der Herausforderung, klar und deutlich auf einen Anrufbeantworter zu
sprechen, leicht in Panik. Pater Cecil war der ranghöchste Priester in St. Ignatius,
ein indischer Jesuit mit unerbittlich guter Laune. Als solcher bildete er einen
verblüffenden Gegensatz zu Pater Julian – dem Pater Rektor –, der achtundsechzig
Jahre alt, Engländer und einer dieser intellektuellen Jesuiten mit einem Hang zum
Sarkasmus war. Pater Julian konnte so bissig sein, daß er Dr. Daruwallas Einstellung
gegenüber den Katholiken, einer Mischung aus Ehrfurcht und Argwohn, ständig neue
Nahrung lieferte. Aber die Nachricht stammte von Pater Cecil – also nichts Witziges:
»Meine Güte!« begann Pater Cecil, als wollte er ganz allgemein zu dem Stellung nehmen,
was er ringsum erblickte.
    Was nun? dachte
Dr. Daruwalla. Da er zu den berühmten Absolventen der St. Ignatius-Schule zählte,
wurde er häufig gebeten, vor der Schülerschaft geistreiche Reden zu halten; in den
vergangenen Jahren hatte er auch vor dem Christlichen Verein Junger Mädchen gesprochen.
Einmal wäre er beinahe aktives Mitglied der Katholisch-Anglikanischen Gemeinschaft
für Christliche Einheit und des sogenannten Lebendige-Hoffnung-Komitees geworden;
derlei Aktivitäten interessierten Dr. Daruwalla jetzt nicht mehr. Er hoffte aufrichtig,
daß Pater [245]  Cecil ihn nicht anrief, um ihn zum wiederholten Mal aufzufordern, über
das aufwühlende Ereignis seiner Bekehrung zu berichten.
    Schließlich war
Dr. Daruwalla trotz seines früheren Engagements für die Katholisch-Anglikanische
Einheit Anglikaner und fühlte sich daher in Gegenwart eines bestimmten übereifrigen,
wenn auch kleinen Prozentsatzes getreulicher Schäfchen der St. Ignatius-Kirche unbehaglich.
Vor kurzem hatte er die Einladung, im Katholischen Charismatischen Informationszentrum
einen Vortrag zu halten, abgelehnt; das vorgeschlagene Thema hieß: »Die charismatischen
Erneuerungen Indiens«. Der Doktor hatte sich darauf hinausgeredet, daß sein unbedeutendes
Erlebnis – das völlig unspektakuläre, belanglose Wunder seiner Bekehrung – nicht
mit den ekstatischen religiösen Erlebnissen (In-fremden-Zungen-Sprechen, Spontanheilungen
und so weiter) zu vergleichen sei. »Aber ein Wunder bleibt ein Wunder!« hatte Pater
Cecil gemeint. Zu Farrokhs Überraschung hatte der Pater Rektor seine Partei ergriffen.
    »Ich gebe dem Doktor
ganz recht«, hatte Pater Julian gesagt. »Eigentlich kann man sein Erlebnis überhaupt
nicht als Wunder gelten lassen.«
    Dr. Daruwalla war
verstimmt gewesen. Er war ja durchaus bereit zuzugeben, daß seine Bekehrung ein
ganz bescheidenes Wunder war, und er erzählte die Geschichte auch stets sehr demütig.
Weder hatte er Male am Körper, die auch nur im entferntesten den Wunden des gekreuzigten
Christus ähnelten, noch hatte er eine Stigmageschichte vorzuweisen. Er war auch
keiner von denen, die andauernd bluteten! Aber daß der Pater Rektor sein Erlebnis
als etwas abtat, was überhaupt nicht als Wunder angesehen

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