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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Überwachungstechnik an Land zog und damit den größten Deal in der Firmengeschichte, war das nicht nur finanziell äußerst lukrativ, denn ab diesem Moment hatte er zu den wirklich wichtigen Entscheidern im Land Zugang gefunden. So folgte Auftrag um Auftrag, das Unternehmen wuchs und wurde stetig lukrativer. Finanzinsider drängten den Patriarchen immer wieder, seine Anteile an der Börse zu versilbern, doch Vogt stand diesen Avancen immer skeptisch gegenüber. Er wollte sich nicht mit Aktionären herumplagen und sich nicht in die Bücher schauen lassen, wollte keine Quartalsberichte seines Unternehmens in der Zeitung lesen und nicht an Roadshows zur Gewinnung von Investoren teilnehmen.
    Wilhelm Vogts Leben verlief in einem dynamischen Aufwärtstrend bis zu jenem Tag im Januar 1998. Wie an jedem Morgen saßen seine Frau, die im Unternehmen für die PR zuständig war, und die achtjährige Adoptivtochter Lona im Wagen.

     
    Er hatte den Kieslaster einfach übersehen. War zügig über die Rechts-vor-Links-Kreuzung am Ende der kleinen Straße, die aus ihrem Wohngebiet herausführte, gefahren. Im Krankenhaus hatte man ihm eine Woche lang verschwiegen, dass seine Frau und seine Tochter noch an der Unfallstelle gestorben waren. Seine Verletzungen waren ihm schon nach dem Aufwachen aus der Narkose klar. Er würde nie mehr in seinem Leben auf seinen eigenen Beinen stehen können.
    Paraplegiker .
    Dieser Begriff war ihm bis dahin völlig unbekannt gewesen. Rollstuhlfahrer waren für ihn Menschen, die in seinem Unternehmen die Einhaltung der Behindertenquote sicherstellten. Noch im Verlauf der anschließenden Reha-Maßnahme dachte er mehrfach darüber nach, sich das Leben zu nehmen, entschied sich jedoch dagegen und nahm den Kampf mit der Behinderung an. Schneller als jeder andere Querschnittsgelähmte in seinem Alter machte Vogt sich mit den Bedingungen und Umstellungen vertraut, die sein neues Leben ihm auferlegten. Nach einem Monat konnte er Auto und Handfahrrad fahren, allein aus dem Bett aufstehen und seiner Körperpflege nachkommen. Einen weiteren Monat später kam er zurück in sein komplett behindertengerecht umgebautes Haus und begann sein zweites Leben, wie er es nannte.

     
    Die juristische Schuld am Tod seiner Frau und seiner Tochter wurde durch das Einwirken eines befreundeten Staatsanwalts gar nicht erst untersucht. Die moralische Schuld allerdings war sein treuer Begleiter geblieben, und so sehr er sich auch dagegen wehrte, die Kraft der Bilder in seinem Kopf, die Gedanken an das fröhliche Lachen der Tochter und das Gefühl der tiefen, innigen Liebe zu seiner Frau wurden nicht weniger.

     
    »Schön, dass Sie kommen konnten, Herr Bürgermeister«, begrüßte er den Gast in seinem Büro zwei Minuten, nachdem er durch den Haupteingang gerollt war. »Und verzeihen Sie bitte meine Verspätung. Manchmal stellen sich einem Dinge in den Weg, mit denen niemand rechnen kann.«
    Erich Zeislinger stand auf und streckte die rechte Hand aus.
    »Überhaupt kein Problem, Herr Vogt. Mein Arbeitstag ist schon lange um, nicht, und ein Termin bei Ihnen und mit Ihnen ist doch ein Vergnügen für mich.«
    »Das weiß ich zu schätzen. Und es ist ein gutes Gefühl, den Abend in so angenehmer Gesellschaft zu verbringen. Nehmen Sie doch bitte wieder Platz.«
    Vogt rollte um seinen Schreibtisch herum und stoppte vor einem Wandschrank. Dort öffnete er eine Tür und sah in das Regal dahinter.
    »Ist Ihnen ein Brunello di Montalcino recht, Herr Bürgermeister?«
    Über Zeislingers Gesicht huschte ein Ausdruck der Vorfreude.
    »Mir ist alles recht, was sich hinter dieser Tür verbirgt, Herr Vogt«, entgegnete er mit einem Blick in Richtung des Wandschranks.
    Der Unternehmer nickte, griff nach der Flasche, hielt sie unter einen vollautomatischen elektrischen Korkenzieher, der an der rechten Seite des kleinen Weinlagers angebracht war, und entkorkte den Wein. Dann stellte er zwei Gläser und die Flasche auf einen kleinen Beistelltisch.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Zeislinger .
    »Nein, nein, bleiben Sie nur sitzen, dann kann ich Ihnen meine neueste Kreation vorführen«, erwiderte Vogt, nahm eine scheckkartengroße Fernbedienung vom Schreibtisch und richtete sie auf den kleinen Tisch. Der setzte sich wie von Geisterhand in Bewegung und stoppte vor Zeislingers Stuhl.
    »Genial!«, rief der OB. »Ihre Erfindung?«
    »Entworfen habe ich ihn schon; diesen Prototypen haben dann meine Mitarbeiter im Versuchslabor angefertigt.«
    Er

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