Zirkusluft
Ding im Schrank geschrumpft?«, begrüßte Lenz den Mann von der Spurensicherung.
Kostkamp bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick und zog den Bauch ein.
»Wenn ihr reinwollt, zieht euch was an die Füße. Da drin hat einer mit Essigsäure gespielt, zumindest riecht es so.«
»Und das heißt?«, wollte Hain wissen.
»Dass es vielleicht genetische Spuren zu sichern gibt, die der Täter uns vorenthalten wollte. Also zieht euch was an die Füße, bevor ihr reingeht, fasst nichts an, und lästert nie mehr über meinen Astralkörper.«
»Versprochen«, gab Lenz zurück. »Aber kannst du uns vielleicht jedem ein Paar von deinen hübschen Überziehern leihen, wir haben nämlich keine dabei.«
Kostkamps Gesicht hellte sich schlagartig auf.
»Vergiss es. Wenn ihr so schlecht vorbereitet zum Tatort kommt, müsst ihr eben warten, bis wir fertig sind.«
»Oder sie nehmen die Überzieher, die ich ihnen ausleihe«, erklärte eine Stimme hinter ihnen. Dr. Franz, der Rechtsmediziner, war unbemerkt die Treppe hochgekommen.
»Das ist nett, Herr Doktor, vielen Dank.«
Franz beugte sich nach unten und zog zwei Paar Einwegfüßlinge aus seiner riesigen Ledertasche.
»Der eine liegt noch bei mir auf dem Tisch, da präsentieren Sie mir schon den Nächsten. Was ist nur aus dem beschaulichen, spießigen Kassel geworden, Herr Lenz?«
»Tja, Herr Doktor«, antwortete der Hauptkommissar, während er sich das Gummi über die Ferse zog. »Ich war’s nicht, und wenn es nach mir ginge, würden Morde eh verboten. Aber Sie sind doch derjenige, der mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit erklärt, dass das Leben kein Wunschkonzert ist.«
Franz nickte nur bestätigend und folgte den Polizisten in die Wohnung. Dort war Kostkamp jetzt am Auspacken.
Eine Uniformierte stand neben der Tür und begrüßte die Beamten.
»Der Anruf ging um 7.52 Uhr in der Leitstelle ein«, begann die Frau. »Wir waren drei Minuten später hier und sind im Flur von der Frau des Toten erwartet worden, die ihn gefunden hatte. Sie war völlig durch den Wind, hat nur geschrien und war nicht zu beruhigen; deshalb haben wir sie ins Klinikum bringen lassen.«
Sie machte eine Pause und wartete offenbar auf Zwischenfragen, doch Lenz gab ihr zu verstehen, dass sie weitersprechen solle.
»Ihre Schwester war dabei und hielt den einjährigen Sohn des Toten und der Frau auf dem Arm. Die haben wir bei einer Nachbarin geparkt, einer Frau Hilbert im Erdgeschoss, mit dem Kind zusammen. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die beiden Frauen gestern Abend gemeinsam weggegangen und erst heute Morgen wiedergekommen.«
»Wer ist der Tote?«, wollte Lenz wissen.
Die Beamtin zog einen kleinen Notizblock aus der Brusttasche.
»Er heißt Bülent Topuz . Geboren 16.11.1985 in Izmir in der Türkei. Seit 1988 in Deutschland und deutscher Staatsbürger. Mehr konnte ich nicht herausfinden.«
Lenz nickte freundlich.
»Vielen Dank, um den Rest kümmern wir uns…«
Er sah auf das Namensschild der Polizistin.
»…Frau Ritter.«
Hain beugte sich zu der Frau und schrieb die Daten ab.
»Ihr könnt einen kurzen Blick auf ihn werfen, dann müsst ihr euch verdrücken«, erklärte Martin Hansmann, Kostkamps Mitarbeiter, der schon vor seinem Chef am Tatort eingetroffen war. Lenz und Hain betraten vorsichtig das Wohnzimmer und sahen auf den Toten, der mit weit aufgerissenen Augen dalag. Auf seinem Pullover waren ein großer, eingetrockneter Blutfleck und das dazugehörige Einschussloch zu sehen. Außerdem waren die Hosenbeine im Bereich der beiden Kniescheiben blutgetränkt. Dr. Franz sah sich um, legte Zeige- und Ringfinger an den Hals des Toten und machte sich eine Notiz. Dann steckte er der Leiche ein kleines Messgerät ins Ohr, nahm es wieder heraus und las den darauf angezeigten Wert ab.
»Zimmertemperatur«, bemerkte er trocken. »Das heißt, er ist mindestens sechs Stunden tot, sofern hier durchgängig die gleichen klimatischen Bedingungen geherrscht haben. Todesursache dürfte der Treffer in die Brust gewesen sein, vorbehaltlich weiterer Prüfungen natürlich.«
»Raus mit euch, aber dalli!«, hörten sie Kostkamps Stimme aus dem Hintergrund.
Hain ging voraus, warf einen Blick in die Küche und schüttelte den Kopf.
»Lass uns warten, bis die Spurensicherung die Bude freigibt. Alles andere gäbe Ärger, und darauf hab ich an meinem zweiten Arbeitstag überhaupt keine Lust.«
»Das sehe ich genauso«, bestätigte Lenz. »Wir gehen nach unten und hören, was uns die
Weitere Kostenlose Bücher