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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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hat einen Kopfschuss und sitzt noch im Wagen, bei ihr ist die Lage etwas diffus.«

     
    Der Bereich um den Streifenwagen war von den Beamten der Schutzpolizei und des Kriminaldauerdienstes weiträumig abgesperrt worden, alle Zufahrten zum Tatort waren von Polizeifahrzeugen blockiert. Im Hintergrund arbeiteten Mitarbeiter des technischen Zuges daran, einen Lichtmast zu installieren. Lenz und Hain stiegen über die Absperrung, grüßten kurz die blau gekleideten Schutzpolizisten und näherten sich langsam dem Fahrzeug, in dem noch immer der tote Polizist auf dem Beifahrersitz saß und das in diesem Moment von den starken Scheinwerfern der Beleuchtungsanlage in gleißendes Licht getaucht wurde.
    »Wir brauchen Sichtblenden, Thilo. Ich will keine Bilder von dieser Szene in den Zeitungen sehen. Kümmer dich bitte darum.«
    Hain deutete nach links, wo zwei weitere Mitarbeiter des technischen Zuges mannshohe Stellwände aus einem Kleintransporter luden.
    »Schon in Arbeit.«
    Neben dem Streifenwagen stand ein Notarztwagen, aus dem jetzt ein weiß gekleideter Mann stieg und auf die beiden zukam.
    »Haben Sie hier was zu sagen?«
    »Das denke ich schon, ja«, erwiderte Lenz.
    »Wir haben die Beamtin im NAW, die auf dem Fahrersitz saß und von der wir zuerst dachten, dass es sie ganz böse erwischt hätte. Beim genauen Hinsehen hat sich herausgestellt, dass sie gar nicht schwer verletzt ist, aber einen ziemlichen Schock hat. Nun ist sie ansprechbar und verlangt, jemanden von der Kripo zu sehen.«
    »Das sind wir.«
    »Dann kommen Sie mit.«

     
    Evelyn Brede lag auf der Trage im Notarztwagen. Ihr Gesicht war voll von getrocknetem Blut, auf der Uniformjacke sah man die Reste von Erbrochenem. Lenz stieg von hinten in den Wagen und näherte sich ihr vorsichtig.
    »Hauptkommissar Lenz, guten Morgen.«
    »Mein Kollege ist tot, nicht?«
    Lenz nickte.
    Sie sah ihn eine Weile mit traurigen Augen an, dann begann sie erstaunlich ruhig und emotionslos zu sprechen.
    »Ein Einzeltäter, zumindest habe ich keine zweite Person gesehen. Männlich, etwa 45 Jahre alt, 1,75 groß und von korpulenter Statur. Dunkle Haare, aber das ist eine Vermutung, weil er einen dicken, dunklen, buschigen Oberlippenbart getragen hat. Stark akzentuiertes Deutsch, offenbar türkischer oder arabischer Abstammung.«
    Sie dachte einen Moment nach.
    »Nein, das war ein Türke.«
    Lenz gab seinem Kollegen mit einer Geste zu verstehen, dass er die Personenbeschreibung weitergeben sollte.
    »Er hat mit Ihnen gesprochen?«
    Die Polizistin nickte und schilderte dem Kommissar den Überfall bis zu dem Moment, als ihr Kollege erschossen wurde.
    »Ich dachte, dass er mich auch erschießen würde, und habe angefangen zu weinen. Da hat er mich angesprochen und gesagt, dass das Leben keine große Sache sei. Deswegen weiß ich, dass er mit starkem Akzent gesprochen hat. Ich konnte nicht antworten, weil meine Kehle wie zugeschnürt war, aber er hat einfach weitergeredet. Davon, dass in unserer Bibel Auge um Auge stehen würde und dass er gekommen sei, um Rache zu nehmen. Rache für seinen toten Freund.«
    Sie stockte.
    »Wie ging es dann weiter?«
    »Ich habe keine Ahnung, wie lange er geredet hat, aber auf einmal hat er mich ganz höflich und sanft gebeten, den Kopf nach hinten zu legen und die Augen zu schließen. Und da dachte ich wieder, dass er mich erschießen würde, und habe noch mehr geweint, aber die Augen zugemacht und mich zurückgelehnt. Danach weiß ich nichts mehr.«
    Sie griff sich an den Verband auf ihrem Kopf.
    »Ich habe einen ziemlich üblen Geschmack im Mund, weil ich mich übergeben habe, und ich glaube, er hat mich mit der Pistole auf den Kopf geschlagen, aber genau weiß ich es halt nicht.«
    »Das macht nichts, Frau Brede . Jetzt fahren Sie erst mal ins Krankenhaus und lassen sich gründlich untersuchen. Danach sehen wir weiter.«
    Wieder heftete ihr Blick sich an seine Augen.
    »Ich mache mir solche Vorwürfe und frage mich, was ich hätte tun können, um das Leben meines Kollegen zu retten. Aber es ist nur leer in mir drin, wenn ich daran denke.«
    »Ihrer Schilderung nach haben Sie sich mustergültig verhalten. Alles andere wäre falsch gewesen.«
    Er griff nach ihrer Hand.
    »Und ich bin davon überzeugt, dass der Kollege das genauso sehen würde.«
    Ein leises Räuspern ließ beide zum hinteren Ende des Notarztwagens blicken. Dort stand Werner Aumüller, der Polizeipsychologe.

     
    Lenz und Hain froren neben dem kleinen Mazda, mit dem sie gekommen

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