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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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realisierte die Pistole, die ins Innere des Streifenwagens ragte, und wollte reflexartig zu seiner Dienstwaffe greifen.

     
    Der Schuss kam ohne Vorwarnung. Evelyn Brede konnte den beißenden Geruch der Patronenexplosion riechen, noch bevor sie realisierte, dass es sich um einen schallgedämpften Schuss gehandelt haben musste. Klaus Hartmann krümmte sich, griff sich leise stöhnend an den Unterleib, hob den Kopf und sah mit schmerzverzerrtem Gesicht zuerst seine Kollegin und dann den Schützen an. Beim zweiten Schuss zuckte Evelyn Brede nicht einmal mehr, weil sie ihn längst erwartet hatte. Die Kugel traf Hartmanns Kopf in Höhe des linken Auges, trat fast parallel auf der anderen Seite neben dem rechten Ohr aus und zerfetzte die Scheibe der Beifahrertür. Im gleichen Moment, in dem das Projektil die Waffe verlassen hatte, wurde die Pistole wieder geschwenkt und zeigte erneut auf den Kopf der Polizistin. Evelyn Brede unterdrückte den schlagartig aufkommenden Brechreiz, schluckte, nahm die Hände vom Lenkrad, faltete sie vor dem Bauch und schloss die Augen.

21
    »Erich ist zu gut gelaunt.«
    Lenz nahm das Telefon ans andere Ohr und gähnte.
    »Deshalb wirfst du mich um 2.30 Uhr morgens aus dem Bett, Maria? Ich meine, ich freue mich immer, wenn du anrufst, aber mach mir doch eine Liebeserklärung oder sag mir, was für ein toller Typ ich bin, bevor du mich mit den neuesten Details aus dem Leben deines Mannes verwöhnst.«
    »Ich denke an unsere Zukunft. Und in der ist kein wohlgelaunter Erich Zeislinger eingeplant. Vielmehr ist ein von seiner Frau verlassener, bedrückter Wahlverlierer mit hängendem Kopf vorgesehen.«
    Lenz schälte sich aus dem Bett, ging mit dem Telefon am Ohr in die Küche und öffnete die Kühlschranktür.
    »Was machst du?«
    »Ich suche was zu trinken. Anrufe nach Mitternacht machen mich immer durstig.«
    Er öffnete umständlich eine Mineralwasserflasche, nahm einen großen Schluck, stellte sie zurück, schloss die Tür und setzte sich in die dunkle Küche.
    »Du solltest mit so einem ernsten Thema wie deiner Zukunft keine Scherze machen. Ich bin nämlich wirklich besorgt.«
    Der Kommissar bemerkte an ihrer Stimme, dass es ihr ernst war.
    »O.K., Maria, was ist der Grund deiner Besorgnis?«
    Es gab eine kurze Pause.
    »Maria?«
    »Erich ist vorhin ziemlich angetütert nach Hause gekommen. Normalerweise ist er dann leise, geht in sein Schlafzimmer und legt sich schlafen. Heute jedoch hat er versucht, sich in mein Bett zu drängen. Ich hab natürlich schon geschlafen und brauchte ein paar Sekunden, um zu kapieren, wer da an mir rumfummelt. Als ich halbwegs wach war, bin ich aus dem Bett gesprungen und hab ihn ziemlich übel beschimpft. Er hat sich auch nicht lumpen lassen und mich im Gegenzug eine frigide alte Kuh genannt.«
    »Der Mann hat keine Ahnung, wovon er redet«, warf Lenz ein.
    »Und so soll es auch bleiben. Allerdings hat ihm die Geschichte gar nichts ausgemacht. Er hat noch ein bisschen getobt, sich dann aber auffallend schnell beruhigt und sogar so etwas wie gute Laune entwickelt.«
    »Das ist in der Tat merkwürdig.«
    »Und zum Schluss hat er mir erklärt, dass jetzt alles anders würde, weil er sicher sei, für weitere sechs Jahre Chef im Rathaus zu bleiben. Ich konnte es mir natürlich nicht verkneifen, ihn dezent auf seine miesen Umfragewerte und die überaus dürftige Bilanz seiner Regentschaft hinzuweisen, aber das hat ihn gar nicht interessiert. ›Die Dinge sind im Werden‹, meinte er vielsagend , und das mit einer Sicherheit und einem drohenden Unterton, der mir wirklich Angst gemacht hat.«
    Lenz konnte ihr nicht ganz folgen.
    »Was, glaubst du denn, heckt er aus?«
    »Ich habe leider nicht den Hauch einer Ahnung, aber seine Erklärung ging noch ein bisschen weiter, und da wurde es dann richtig spannend. Du weißt ja, Besoffene und Kinder sagen die Wahrheit.«
    »Aha«, brummte Lenz.
    »Auf jeden Fall hat er damit geprahlt, einen neuen, überaus potenten Geldgeber gefunden zu haben, der ihn groß unterstützen würde. Ich habe zwar keine Ahnung, wer einem toten Gaul wie meinem Mann noch Geld in den Rachen werfen sollte, aber ich glaube ihm, und das bereitet mir ernsthaft Sorgen.«
    Lenz gähnte erneut, lehnte sich zurück und dachte einen Moment nach.
    »Also, ich fasse mal zusammen: Dein Mann kommt betrunken nach Hause, schleicht sich bei dir an und fordert den Vollzug der ehelichen Pflichten ein. Du reagierst, na, sagen wir mal, ziemlich empört, hüpfst aus dem

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