Zirkusluft
Schaltkästen…«, stellte der neue Mitarbeiter mit leichtem Erstaunen fest.
»Das stimmt«, belehrte ihn Heilmann, »aber ohne die geht hier gar nichts. Jeder Schaltkreis ist einzeln verdrahtet und abgesichert. Wir haben insgesamt acht Computer im Einsatz, die Licht, Musik und die andere Technik steuern, auch die Pyroeffekte . Und das Tollste ist, dass alles doppelt vorhanden ist, wie in einem Flugzeug. Wenn irgendein System ausfällt, steht das andere schon in Bereitschaft und übernimmt, ohne dass auch nur ein Mensch das mitkriegt. Geil, oder?«
Kommol sah ihn mit großen Augen an.
»Und das geht?«
»Das geht richtig gut. Unser Elektriker Tomaš , ein Slowake, sagt immer, dass die Ströme seltsame Wege gehen. Und da ist wirklich was dran.«
»Aber die Computer stehen nicht hier, oder?«
»Nein, wo denkst du hin. Die haben ihren eigenen Raum in der Regie, und da kommt keiner rein außer dem Techniker und dem Programmierer. Und uns natürlich, weil wir immer sehen müssen, dass niemand sich an den Sachen zu schaffen macht. Was glaubst du, wie gerne so ein Computer geklaut wird.«
»Also wir müssen dafür sorgen, dass an die Sachen nichts drankommt, richtig?«
Heilmann nickte gönnerhaft.
»Ganz genau.«
Er griff nach seinem Schlüsselbund und zeigte Kommol einen Schlüssel.
»Das hier ist der General. Mit dem hat man Zugang zu den meisten Schlössern hier auf dem Platz. Natürlich nicht zu den Buden vom Boss und der Chefin, klar.«
Kommol lachte laut auf.
»Na, das wär ’ ja auch was.«
»Wir warten ein, zwei Wochen, dann kriegst du natürlich auch einen. Die hohen Herrschaften rücken den nicht so gerne raus, deswegen musst du zuerst eine Art Probezeit bestehen, aber mach dir deswegen keine Sorgen. Wenn du ihn brauchst, nimmst du in der Zeit einfach meinen.«
»Schon klar, ist für mich kein Problem. Ich hoffe ja, dass mein Einsatz hier länger dauert.«
»Davon kannst du ausgehen, Pete. Als Nächstes sind wir in Heidelberg. Da waren wir schon ein paar Mal, und es war immer geil, weil auch nachts noch was los ist. Auf jeden Fall mehr als hier in Kassel. Hier gibt’s nicht einen anständigen Puff mehr, und die Wolfhager Straße, der Autostrich, ist auch nicht mehr das, was er mal war.«
Nun schlug Kommol seinem neuen Boss auf die Schulter.
»Hey, Gun , das brauchst du doch bald alles nicht mehr. Wenn erst mal Natascha aus Sankt Petersburg angereist ist, hast du Puff und Autostrich nicht mehr nötig.«
Heilmann verzog das Gesicht zu einem feisten Grinsen.
»Natascha, wie das klingt…«
»Und wie sich das erst anfühlt. Und sie steht wirklich auf die harten Sachen und macht alles, ohne Ausnahme.«
»Harte Sachen, geil. Da steh ich auch drauf.«
»Dann kommst du garantiert auf deine Kosten, mein Lieber.«
25
Lenz steckte den Zettel, auf dem Erdem Özönders Adresse notiert hatte, in die Jackentasche, sah auf die Uhr und startete den Dienstwagen. Über die Holländische Straße und den Westring kam er zur Sickingenstraße. Nummer 22 war ein Wohnhaus im Hinterhof, davor ein großer Parkplatz. Der Kommissar stieg aus, stellte den Kragen seiner Jacke hoch, weil es leicht angefangen hatte zu regnen, und ging zum Eingang des Hauses. Es gab acht Namensschilder, alle mehrfach überklebt und teilweise nicht lesbar. › Özönder ‹ stand auf dem zweiten von oben. Er legte den Finger auf den silbernen Knopf, trat einen halben Meter zurück und wartete. Nach etwa einer halben Minute wurde im zweiten Stock ein Fenster geöffnet und eine dunkelhaarige Frau von etwa 45 Jahren zeigte ihr rundes Gesicht.
»Hallo?«, rief sie in den Hof.
»Guten Tag, mein Name ist Lenz. Ich möchte gerne Tayfun Özönder sprechen.«
» Tayfun nix su Hause!«, rief die Frau.
»Sind Sie seine Mutter?«, wollte Lenz wissen.
»Mutter, ja.«
Nun tauchte neben der Frau ein junges, dunkelhaariges Mädchen mit einem freundlichen Gesicht auf.
»Hallo. Was wollen Sie denn verkaufen?«
»Nichts. Ich wollte zu Tayfun Özönder .«
»Mein Bruder ist nicht da. Der ist bestimmt an der Uni.«
»Kann ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Sein Blick kreiste kurz über das Gelände.
»Die möchte ich aber ungern über den Hof brüllen.«
»Geht’s um Tayfun ?«
»Ja.«
»Sind Sie von der Polizei?«
Lenz nickte.
Das Mädchen stellte der Frau auf Türkisch eine Frage, doch die schüttelte energisch den Kopf. Nach einer weiteren Frage begann eine hitzige Diskussion zwischen den beiden. Offenbar wollte die Ältere den
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