Zitadelle des Wächters
den Grausamkeiten der Riken-Armeen zu schützen. Diese letzte Taktik brach den Riken schließlich das Rückgrat und zwang sie, von ihren expansiven Manövern abzulassen und sich den Genonesen zum Ultimaten Ragnarök zu stellen.“
„Ragnarök?“
Kartaphilos zuckte die Achseln. „Weißt du, äh …,die letzte Schlacht’ … das ‚Armageddon’, das man in den Legenden findet. Es scheint so, als sei die Menschheit dazu bestimmt, solche Endschlachten wieder und wieder auszufechten.“
„Ja, ich nehme an, da hast du recht. Dann fahre mal fort …“
„Es gibt nicht mehr viel zu erzählen. Die Genonesen siegten, aber um einen entsetzlichen Preis – das wahrscheinliche Ende der Herrschaft der Ersten Zeit über die Welt. Seither ist es ständig abwärtsgegangen. Ein Pyrrhus-Sieg, wie man so etwas nennt.“
„Was heißt das denn schon wieder?“
„Schlag es in deinem Geschichtsbuch nach. Warst du schon einmal in Voluspa? Ja, natürlich warst du das. Dort steht eine Bibliothek. Geh doch mal lieber dort hinein statt in ein Bordell. Du könntest dort etwas lernen.“
„Sehr witzig, alter Mann. Ich sollte …“
„Du solltest nur zuhören und einem alten Mann seine Bemühungen nachsehen, witzig wirken zu wollen. Das, worauf es bei all dem ankommt, was ich berichtet habe, ist schnell erzählt. Hör gut zu. Auf der Welt existiert immer noch ein letztes funktionierendes Relikt aus der Ersten Zeit, aus dem letzten Krieg.“
„Was?!“
„Ein Wächter, der immer noch seiner Aufgabe nachkommt. Und er wartet.“ Kartaphilos nickte und sah dann in Varians blaue Augen.
„Aber das ist unmöglich! Warum ist er nie entdeckt worden? Und wo würde man ihn vermutlich finden?“
„Wenn etwas existiert, kann es nicht unmöglich sein. Und wer weiß schon wirklich, was sich an solchen Orten wie dem Schwarzen Loch, der Manteg oder gar den Eisenfeldern wirklich befindet?“
„Kennst du denn seinen Standort?“ Varians Pfeife war ausgegangen. Hart klopfte er die verbrannte Glut aus dem Pfeifenkopf, ohne dabei den Blick von Kartaphilos zu wenden.
„Ich kannte ihn. Zu einer Zeit wußte ich mehr von dieser Sache, als ich dir jetzt erzählen konnte. Meine … meine Mission lautete, die Zitadelle zu verlassen und Hilfe zu bringen. Ich sollte nicht eher zurückkehren, bis ich Unterstützung brächte.“
„Wovon redest du eigentlich?“ Varians Herz hämmerte wild, und er fühlte, wie seine Brust sich zusammenzog. Er konnte sich keinen guten Grund vorstellen, warum er diesem alten Mann Glauben schenken sollte. Und trotzdem glaubte er daran. „Was ist die Zitadelle’?“
„Der Standort des Wächters. Begreifst du noch immer nicht? Der Wächter hat mich zum Herbeiholen von Unterstützung ausgeschickt. Ich … ich habe versagt. Da standen eine Maschinenkolonne und Entsatztruppen der Riken. Sie haben mich vom Himmel geschossen, sind mir auf die Spur gekommen. Und ich mußte meinen Grips und meine wenigen Verteidigungssysteme einsetzen, um zu entkommen und mich zu heilen. Aber danach stellte ich fest, daß etwas nicht mehr stimmte. Amnesie nennt man das, glaube ich. Ein Schaden am Erinnerungsvermögen. Ich konnte mich nicht mehr an alles erinnern! Für eine Zeit konnte ich mich an nichts mehr erinnern, dann fielen die Stücke wie bei einem Puzzle wieder an ihren Platz zurück, aber leider nicht alle. Ich wußte nicht, wohin ich gehen sollte, um Unterstützung zu finden, und ich wußte nicht, wohin ich zurückkehren sollte …“
Varian beobachtete das Gesicht des alten Mannes genau. Die Züge waren verhärmt, zerfurcht von Alter, Angst und Traurigkeit. Er sagte die Wahrheit, dieser Kartaphilos.
„Ich glaube dir“, sagte Varian. „Aber warum erzählst du das gerade mir?“
„Die Zeit verstreicht, und ich kann mich
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