Zitadelle des Wächters
sagte er und griff sich an den Hals. Er packte ein Stück Haut, das zuvor von der Robe und der Kapuze bedeckt gewesen war. Leicht löste es sich von der glatten Oberfläche des Halses. Kartaphilos zog sie hoch über den Hals, zog sie über Kinn und Kiefer. Weiteres Bernsteinglas, weitere Kreisläufe …
„Nein!“ Varian zog die Hand zurück. „Also gut! Nicht hier, bitte. Ich glaube dir.“ Er atmete tief ein, um die Verwirrung im Kopf zu vertreiben. Er fühlte sich elend.
Mit einstudierter Gleichgültigkeit stopfte Kartaphilos das synthetische Fleisch unter seine Robe. „Es war nicht das erstemal, daß ich zu solch einer Demonstration greifen mußte.“
„Wie alt bist du? Wie kommt es, daß du … daß du immer noch funktionierst?“
„Du machst dir keine Vorstellungen von den Fähigkeiten der Menschen der Ersten Zeit. Ich bin nichts im Vergleich zum Stand ihrer Wissenschaften.“
„Es ist so unglaublich … mir will nichts mehr einfallen, was ich sagen kann.“
„Jetzt klingst du mehr nach einem Trottel, als du wirklich bist, Varian Hamer. Ich habe dich schockiert, aber du wirst deine Gedanken wieder ordnen können. Sag jetzt nichts mehr. Sage dir nur selbst, daß du etwas Besonderes bist. Und man muß ein besonderer Mensch sein, um den Wächter zu finden. Vielleicht wirst du es sein.“
„Bleib bei mir! Hilf mir, den Wächter zu finden!“ Varians Kopf raste … Unausgegorene Vorstellungen beherrschten seine Gedanken und erzählten ihm, daß derjenige, der den Wächter fand, mit Macht und Reichtum überschüttet würde. Die Geheimnisse der Ersten Zeit würden ihm zu Füßen liegen. Die Welt würde zu ihrer ehemaligen Größe zurückfinden – unter der Führung dieses besonderen Mannes.
Kartaphilos schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht bei dir bleiben. So wie ich es in meinem Körper, in meinen Leitungen fühlen kann, daß der Wächter immer noch in Funktion ist – denn auch ich würde aufhören zu sein, wenn es mit dem Wächter zu Ende ginge –, spüre ich auch immer noch den Drang in mir, meine Mission fortzusetzen.“
„Warum?“
„Weil es keine Garantie gibt, daß du Erfolg haben wirst, Varian Hamer. Während ich meine Geschichte einem anderen jungen Seemann so wie dir erzähle, mögen deine Knochen schon in der Manteg bleichen. Man könnte auch sagen, ich sei … verdammt, oder vielleicht verflucht, durch die Welt zu wandern und meine Geschichte zu erzählen.“
Varian begriff, was die Maschine ihm da sagte. „Aber woher wirst du wissen, ob und wann du am Ziel deiner Suche bist?“
Kartaphilos zuckte die Achseln. Diese Geste beherrschte er perfekt. „Ich werde es wissen.“ Er richtete sich gerade auf, und seine Augen starrten auf die unter ihm liegenden Docks.
„Was ist los?“
„Ich werde dich jetzt verlassen. Es gibt nichts mehr zu sagen. Alles liegt jetzt an dir. Entweder machst du dich auf die Suche nach dem Wächter, oder du läßt es. Entweder findest du ihn oder nicht.“
„Und wo wirst du hingehen?“
„Ich weiß es nicht. Es gibt viele Orte auf der Welt, zu denen ich noch hingehen muß. Schließlich ist es keine kleine Welt. Auf Wiedersehen, Varian Hamer.“
Varian wollte noch etwas sagen, aber sein Verstand spielte ihm mit einer neuen Vorstellung einen Streich. Ihn schockierte das Wissen darum, daß er diesen furchtbaren Boten aus der Ersten Zeit nie mehr wiedersehen sollte. „Warte! Bitte, gibt es nicht mehr, was du mir noch sagen kannst? Wo soll ich meine Suche beginnen? Gibt es irgendwelche Hinweise? Kannst du dich denn an nichts anderes mehr erinnern?“
Kartaphilos lächelte. „Doch, eine letzte Sache gibt es. Ich wollte sie bis zum Schluß aufheben …“
„Was? Was denn?“
„Sand.“
„Was soll das heißen? Sand?“
„Unmengen Sand lagen dort. Daran kann ich mich
Weitere Kostenlose Bücher