Zitadelle des Wächters
erinnern. Aber an nichts weiter.“
„Das engt ja den Kreis der Möglichkeiten etwas ein“, sagte Varian ernst.
„Tut es das wirklich? Ich glaube nicht. Du kannst relativ sicher davon ausgehen, daß die Zitadelle sich nirgendwo in der zivilisierten Welt befindet, ansonsten wäre sie bereits entdeckt worden. Damit bleiben nur die menschenleeren Gebiete übrig – und dort liegt überall Sand.“
Etwas wie ein Stich durchfuhr Varians Herz. Kartaphilos hatte recht. „Trotzdem, es ist immerhin etwas.“
„Mach soviel daraus wie du kannst. Viel Glück, Varian Hamer. Ich beneide dich.“
„Mich? Warum?“
Wieder lächelte Kartaphilos. Ein sehr menschliches Lächeln. „Ich beneide euch alle, euch Menschen. Es muß etwas ganz anderes sein, etwas ganz Wunderbares, lebendig, ein organisches Wesen zu sein. Ich wünschte, ich wüßte, wie das ist.“
Varian begriff und nickte. „Es ist etwas Gutes … manchmal.“
„Ja, da bin ich mir ganz sicher.“ Kartaphilos wandte sich ab und rückte die Kapuze seines Mantels zurecht. „Ich verlasse dich jetzt, und ich wünsche dir viel Erfolg.“
Varian konnte nichts mehr sagen. Er sah dem … Ding zu, das Kartaphilos hieß, wie es langsam zur Gangway schritt und darauf nach unten stieg. Seine eintönige Kleidung war bald im Durcheinander der wirbelnden Farbmeere am Marktplatz untergetaucht. Varian bemühte sich, seinen Weg zu verfolgen, bis er ihn im sich ständig wechselnden Durcheinander der Menge gar nicht mehr ausmachen konnte.
Als er seine Aufmerksamkeit wieder dem Schiff zuwandte, stellte er erleichtert fest, daß niemand sonderliches Interesse an ihrer Unterhaltung gezeigt hatte. Besucher waren auf einem so großen Schiff wie der Courtesan keine Seltenheit. Sollte jemand fragen, so würde Varian sagen, Kartaphilos sei ein etwas ekzentrischer alter Onkel von ihm, der eine familiäre Nachricht überbracht habe. Niemand, der Varian Hamer kannte, wagte es, seinen Worten nicht zu glauben.
Das Schiff würde bald die Anker lichten, und Varian erschien die Reise jetzt in einem anderen Licht. Über soviel mußte er jetzt nachdenken. Und soviel gab es zu erledigen. Er war jetzt gezwungen, sein Leben so fest vorzuplanen, wie er das noch nie zuvor getan hatte.
Eleusynnia: ihr erster Hafen – ein guter Ort, um durchzubrennen? Die Suche beginnen? Karten. Er brauchte Karten. Er mußte alles studieren. Bei einer solchen Angelegenheit durfte es keine übereilten Schritte geben. Zumindest mußte er erst einmal nach Eleusynnia mitfahren. Von da aus vielleicht nach Voluspa, um die antiken Texte der Großen Bibliothek zu studieren. Dort mochte der Keim des Erfolgs liegen, wie Kartaphilos auch schon vermutet hatte. Ein sorgfältiges Auge und ein gewitzter Verstand könnten in den alten Schriften vielleicht etwas Nützliches finden.
Irgend etwas in Varians Innerem erwachte lautstark zum Leben. Er fühlte es, aber er konnte noch nicht genau herausfinden, was es war. Es war mehr als die bloße Freude, am Leben zu sein. Eher der erste Funke einer Angelegenheit in seinem Leben, die ihm zum erstenmal wirklich etwas bedeutete.
Die Sonne stand jetzt hell am Himmel. Wie eine messingfarbene Scheibe fraß sie sich durch den Nebel. Irgendwo bestrahlte ihr Licht auch eine Sandstelle … und etwas anderes.
Und diese Stelle werde ich finden, sagte er sich.
Zwei
Trotz ihrer gegenwärtigen Lage war Tessa eine Frau von Charakter und Entschiedenheit, von Geist und Findigkeit. Sie war eine attraktive Frau, und das erwies sich sowohl als Segen wie auch als Fluch. Und es gab nur wenige Männer, die nicht einen bewundernden Blick auf ihr kastanienrotes Haar, ihre grünen
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