Zitadelle des Wächters
war. Man stimmte darin überein, daß sich eine möglichst genaue Kenntnis der Örtlichkeiten später durchaus als Hilfe erweisen konnte. Und daß sie auf keinen Widerstand des Wächters oder seiner Homologs gestoßen waren, entmutigte sie keineswegs. Varian machte die Bemerkung, der Wächter müsse sich wohl so unangreifbar sicher fühlen, daß er die Neugierde der vier nicht zu fürchten brauchte.
Stoor, im Verein mit Tessa, setzte dagegen, daß sie doch auf eine gewisse Art Widerstand gestoßen seien – der sei zwar nur passiver Natur gewesen, habe sich aber in den abgesperrten Gebieten, den stillgelegten Fabrikationsstätten und den wie von einem Kokon versiegelten Anlagen ausgedrückt. Man gewann schließlich allgemein den Eindruck, daß man den Wächter möglicherweise außer Betrieb setzen und die Freiheit wiedererlangen könnte, falls man in eines der abgesperrten Gebiete eindringen würde.
Das Ganze spielte sich in etlichen widerstrebenden Argumenten unter den vier Gefährten folgendermaßen per Zettel ab:
Raim: Wenn wir den Wächter zerstören, könnten wir auf immer hier gefangen bleiben.
Stoor: Es ist dennoch eine Chance, die wir nutzen sollten.
Varian: Nein, das kann nur unsere letzte Möglichkeit bleiben. Alle anderen Möglichkeiten müssen vorher ausprobiert werden.
Stoor: Nein!
Tessa: Ich stimme Varian zu. Wir haben gesehen, wie komplex dieser Ort ist. Und wir können noch nicht einmal einen Bruchteil davon verstehen. Der Wächter verfügt hier über die totale Kontrolle. Wenn wir die KI ausschalten, könnte es uns passieren, daß wir noch nicht einmal etwas so Einfaches wie eine Ausgangstür öffnen können.
Stoor: Wir können auch hier warten, bis wir schwarz werden. Zeit bedeutet dieser Maschine nichts. Und das wißt ihr!
Raim: Vielleicht sollten wir abstimmen?
Stoor: Abstimmen?
Varian: Ja, jeder schreibt für sich etwas auf einen Zettel, damit kann keiner vom anderen beeinflußt werden.
Alle sahen sich an, fragten sich, was bei dieser Abstimmung wohl herauskommen würde, und versuchten, die Gefühle der anderen zu erraten.
Tessa: Sollen wir es tun?
Alle nickten, als Varian die Frage formulierte, die zur Abstimmung stehen sollte: Sollen wir versuchen, sobald wie möglich auszubrechen?
In kurzer Zeit hatte sich jeder entschieden, und das Ergebnis stand fest: drei Ablehnungen, eine Zustimmung (keine Enthaltungen). Daraufhin warf Stoor seinem Busenfreund einen bösen Blick zu, sagte aber nichts.
Die Diskussion flachte einige Zeit lang ab, bis Tessa fragte, ob alternative Lösungsmöglichkeiten beraten werden sollten. Varian schlug vor, die Gruppe solle versuchen, eine Konferenz mit dem Wächter einzuberufen, dort ihren Fall vorzutragen und die Maschine zu bitten, sie ziehen zu lassen. Auch wenn ihnen dabei kaum die Freiheit winkte, könnten sie dadurch doch tieferen Einblick in ihr Problem gewinnen. Stoor wollte nicht daran glauben und hielt das Ganze für reine Zeitverschwendung. Aber da er überstimmt worden war, ließ er sich schließlich überreden – für seine Persönlichkeit sicher ein Novum.
Doch nachdem diese wichtige Entscheidung erst einmal gefällt worden war, schien der Großteil der Energie bei den vieren verpufft zu sein, und plötzlich hatte es auch niemand mehr eilig. Nachdem festgelegt war, daß in naher Zukunft kein Anschlag auf den Wächter unternommen wurde, richtete sich das Interesse auf andere Dinge.
Tessa fiel dies auf, und sie schlug vor, alle sollten versuchen, etwas Schlaf zu bekommen, trotz der Möglichkeit von Traum-Illusionen. Sie sagte, man könne ja am nächsten Morgen den Wächter aufsuchen.
Nur widerwillig stimmten die anderen zu. Jeder zog sich in sein Schlafzimmer zurück und fragte sich, ob die nächsten Manipulationen für ihn schon bereitstanden. Stoor setzte sich in seinem Zimmer in eine Ecke, stopfte seine Pfeife und ließ die vorangegangene Diskussion noch einmal passieren. Er besaß genügend Erfahrung im Umgang mit Menschen, um wegen der Abstimmungsniederlage seines Vorschlags zum raschen Handeln nicht zu murren oder zu schmollen. Er wußte um die Schwächen der Menschen und wollte dies seinen Freunden nicht zum Vorwurf machen. Die Entscheidung war gefallen, und es hatte gar keinen Sinn, Was-wäre-wenn-Möglichkeiten zu überdenken. Statt dessen konzentrierte er sich in Gedanken auf die seltsamen Träume und Illusionen, mit denen er und die anderen konfrontiert worden waren.
Irgend etwas an ihnen kam ihm vertraut vor.
Genau wie
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