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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Pressmann?«, fragte Mira. »Warum um alles in der Welt …?«
    »Meinetwegen.« Gudruns Stimme war so glatt und hart wie ihr Gesicht, als sie das sagte. »Sie hat es mit Veronal gemacht. Es passt zu ihr, dass sie sich mit Veronal umgebracht hat, findest du nicht?« Sie stellte die Frage ins Leere hinein, ohne Mira dabei anzusehen. Mira antwortete nicht, sie hatte keine Ahnung, ob dieser Tod zu der Pressmann passte oder nicht.
    »Vielleicht war es gar nicht deinetwegen«, meinte sie stattdessen. »Sie hat ihr ganzes Vermögen verloren, vielleicht wollte sie deshalb nicht mehr leben.«
    Gudrun zog eine Grimasse und gab ihr den Brief. Ein hellgelbes Blatt Papier, dick und cremig wie frisch geschöpfter Rahm. Das Briefpapier jedenfalls passte zu Frau Pressmann.
     
    Mein Ein und Alles,
las Mira.
Ich scheide dahin, weil mir das weitere Leben ohne Dich ganz und gar vergällt ist. Kein Vorwurf, Geliebte! Du hast mir gezeigt, was Glück ist. Mögen sich unsere Wege im Jenseits wiedertreffen, auf dass meine Brust auf ewig an der Deinen ruhe. Es dankt Dir inniglich
    Deine Freundin Iris
     
    Die Unterschrift war fast unleserlich, die Tinte hatte sich aufgelöst und war als wolkiger, hellblauer Fleck mit dunkelblauem Umriss getrocknet. Der Brief war nass geworden, weil die Pressmann darauf geweint hatte oder Gudrun.
    Mira versuchte sich das Gesicht der Pressmann ins Gedächtnis zu rufen, aber es gelang ihr nicht. Sie erinnerte sich nur an die nach oben gekringelte Locke, in der ihr Haar auf ihrer Wange ausgelaufen war, wie ein umgekipptes Fragezeichen.
    »Sie hat es so ernst genommen«, sagte Gudrun, immer noch ohne den Blick vom Fenster zu wenden. »Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie die Sache so fürchterlich ernst nimmt.«
    »Aber du wusstest doch, dass sie dich liebt«, meinte Mira verständnislos. Mein Ein und Alles. Das konnte doch nicht an Gudrun vorbeigegangen sein. Diese Leidenschaft, diese Hingabe. Das musste sie doch gespürt haben.
    »Ja, aber das Ganze war doch keine ernste Angelegenheit. Ich meine, ich bin eine Frau und sie auch. Es hat sich so ergeben, nichts weiter. Wer konnte denn ahnen, dass sie sich die Sache so zu Herzen nimmt?«
    »Sie war dir lästig«, sagte Mira. »Jetzt, wo sie kein Geld und keinen Einfluss mehr hatte, war sie dir lästig.«
    Nun drehte sich Gudrun ihr zu. »Und wenn?«, fragte sie. »Am Anfang hat sie mich ausgenutzt, ich war ihr kleines Abenteuer, ihr Püppchen, so nannte sie mich immer. Sie und ihr Mann zogen die Fäden, Gudrunchen tanzte dazu. Aber dann hat sich das Ganze umgedreht. Ich habe die Fäden gezogen, und sie hat dazu getanzt.«
    »Jetzt tanzt sie nicht mehr«, sagte Mira.
    Ihr fiel plötzlich wieder ein, was Gudrun vor einigen Jahren über die Pressmann gesagt hatte, als die Geschichte zwischen ihnen gerade begonnen hatte.
Es ist die schönste Liebe, die ich bisher erfahren habe,
hatte sie gesagt. Mira erinnerte sich noch genau an den Satz, weil er sie damals mit einem großen Unbehagen erfüllt hatte. Sie hatte befürchtet, dass Gudrun als Verliererin aus der Sache hervorgehen würde. Aber nun hatte die Pressmann verloren.
    Mira sah die geschwungene Locke wieder vor sich und eine hohe gezupfte Augenbraue. Eine verschmierte Unterschrift, aufgelöst von ihren eigenen Tränen. Das war alles, was von Frau Pressmann übrig war.
    Und ich? dachte Mira. Wenn ich im Eiswasser ertrunken wäre, wenn ich an der Spanischen Grippe gestorben wäre, wenn mich die Kugel getroffen hätte, die Nero getötet hat … was wäre von mir übrig?
    Bis zu den Wahlen traten sie beinahe jeden Tag auf. Mira nahm sich eine Woche frei, obwohl man im Kurfürsteneck alles andere als einverstanden war. »Und dann noch für die Kommunisten«, sagte Herr Friedhoff, dem die Wirtschaft gehörte. »Damit sie uns gleich die Lizenz entziehen, wenn sie denn an die Macht kommen.«
    »Warum sollten sie so etwas tun?«, fragte Mira.
    »Das sieht man doch in Russland, dass die keine Gründe brauchen, um alles kaputt zu machen.«
    Aufgepasst, wir reichen euch kein Schlafpülverlein,
    Wir stellen euer Leben in Scheinwerferschein,
    Dass ihr’s endlich seht und euer Antlitz sich straffe,
    Kunst ist nicht Dunst nach Bildungsgegaffe.
    Kunst ist Waffe!
    Sie hätte ihren Text im Schlaf aufsagen können, wenn sie jemand wachgerüttelt hätte, sofern man sie überhaupt wach bekommen hätte, denn sie schlief in diesen Nächten vor Erschöpfung wie ein Stein.
    »Wenn du dich bloß nicht übernimmst«, sagte Lari, als sie

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