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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Chiara hatte er einKornfeld gemalt, goldgelbe Ährenstreifen, und als Abschluss zum blauen Himmel hin saftig grüne Wiesenhügel.
    »Und?«, fragte er, während sie sich endlich abwandte.
    »Chiaras Konterfei ist dir nicht wirklich gelungen, doch der Hintergrund ist gut.«
    »Der Hintergrund?« Er lachte ungläubig, aber sie blieb ganz ernst. »Was meinst du damit?«
    »Sie erscheint so mager und hart. Der Hintergrund jedoch ist fruchtbar und leuchtend, voller … Lebenskraft.«
    Als sie wegging, betrachtete er nachdenklich sein eigenes Bild.
    Abends traf sie ihn am Feuer wieder. »Habe ich dich verärgert?«, fragte sie.
    »Womit? Du hattest doch recht.«
    »Ach was, ich weiß doch gar nichts über die Malerei. Ich habe nur so dahergeredet.«
    »Es war aber richtig.«
    »Wo hast du das Malen gelernt?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
    »In München auf der Akademie. Jetzt will ich aber nach Paris, da ist Bewegung, da kann man etwas lernen.«
    »Freiburg ist dann aber die falsche Richtung«, meinte Maria.
    »Ich muss mir zuerst einmal das nötige Geld verdienen. Meine Bilder ernähren mich nicht.«
    »Nein«, sagte sie. Wer sollte diese Art von Gemälde auch kaufen, auf denen das Innere einer Person zu sehen war, aber ihr Äußeres nicht wiederzuerkennen war? Reich würde Wunder damit ganz gewiss nicht werden. Er lachte leise, vielleicht dachte er das Gleiche.
    »Wenn du willst, sage ich dir die Zukunft voraus«, sagte Maria. Es überraschte sie selbst, dass sie ihm das anbot. Außer Sascha und Alban, dem Liliputaner, hatte sie noch keinem der Zirkusleute die Zukunft vorausgesagt. Die Männer und Frauen hier wussten ja, dass sie keine wirkliche Wahrsagerin war, dass sie ihre Prophezeiungen nur erfand.
    »Jetzt gleich?«, fragte Wunder.
    Sie zögerte. Es war schon nach acht und wurde langsam dunkel. Wenn sie jetzt mit ihm ins Wahrsagerzelt ging, dann würde das Getuschel und Gerede losgehen. Aber andererseits … Über Chiara hatten sie auch getuschelt und geredet, als Wunder sie gemalt hatte, doch hinterher hatten sie auch wieder damit aufgehört. Die gegenseitige Kontrolle mochte schlimm sein im Zirkus, aber Madame Argent hatte mit Sicherheit übertrieben, als sie Maria gewarnt hatte, dass sie jeden gleich heiraten müsste, auf den sie sich einließ. Und vielleicht würde es ja keiner bemerken.
    »Was denkst du?«, fragte Wunder und lächelte dabei so, als wüsste er es ohnehin.
    »Nichts. Nur ob du stark genug bist, deinem Schicksal ins Auge zu blicken«, gab Maria zurück.
    »Das hast du doch schon gesehen, dass ich die Wahrheit vertragen kann«, sagte Wunder.
     
    Sie stellte zwei Windlichter vor sich auf den Tisch, dazwischen saß Wunder und sah sie erwartungsvoll an, und dahinter war alles dunkel. Sie konnte die Decke des Zeltes nicht sehen, weil das Öllicht nicht bis ganz nach oben drang, dadurch hatte sie das Gefühl, dass sie in einem kleinen, unendlich hohen Raum waren. Sie fröstelte.
    Hätte sie sich doch nur nicht darauf eingelassen! Was sollte sie Wunder denn nur sagen? Mit dem üblichen Hokuspokus konnte sie ihm doch nun nicht kommen.
    »Was ist?«, fragte er. Er sah so seltsam aus in dem flackernden Licht, über dem Kinn, der Oberlippe, der Nase lagen schwere schwarze Schatten.
    »Ich muss mich konzentrieren«, sagte sie.
    Sie schloss die Augen und wurde etwas ruhiger. Erzähl ihm das, was er hören will, dachte sie. Dass er in Berlin sein Glück als Künstler machen wird und alle Leute seine Bilder kaufen werden. Dass seine Werke nach seinem Tod unbezahlbar sein werden. Vermisch es mit ein paar unangenehmen Dingen, damit es glaubwürdiger wird. Eine schwere Krankheit. Ein missgünstiger Konkurrent, der ihm das Leben schwermacht. Sielegte sich die ersten Worte zurecht und öffnete die Augen wieder. Ich sehe in deine Zukunft, so wollte sie beginnen mit einer tiefen rauchigen Stimme, ihrer Wahrsagerstimme.
    »Ich sehe«, begann sie auch, aber dann unterbrach sie sich. Denn was sie sah, überwältigte sie so, dass sie kein Wort mehr herausbrachte. Neben Ludwig Wunder saß Madame Argent. Sie sah genauso aus wie damals, als Maria sie auf dem Hof ihrer Eltern zum ersten Mal gesehen hatte. Die Haare schwarz und glanzlos, die helle Haut glatt und straff, ohne eine Falte. Dunkle Kleidung, obwohl sie in Wirklichkeit meistens kräftige, bunte Farben getragen hatte.
    »Was siehst du?«, fragte Ludwig Wunder.
    »Madame Argent«, stammelte Maria. »Was … warum sind Sie gekommen?«
    Madame Argent lächelte

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