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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Kanzler, die Zimmerwirtin, passte auf wie ein Luchs. In seinem Haus sah es bestimmt nicht anders aus. Aber trotzdem!
    »Wie küsst er dich denn?«, hatte Gudrun sie gestern gefragt. Sie hatte Mira nach der Arbeit abgeholt und auf einen Tee in die Konditorei Bittner am Carlsplatz eingeladen. Mira aß Windbeutel, obwohl ihr eher nach etwas Herzhaftem war, nach der ganzen Rennerei in der Rheinterrasse.
    »Wie meinst du das?«, fragte Mira zurück, obschon sie genau wusste, worauf Gudrun hinauswollte. Aber sie ärgerte sich schon wieder, dass sie überhaupt mit dem Thema angefangen hatte. Sie redete so ungern über solche intimen Dinge – ganz im Gegensatz zu Gudrun.
    »Mit offenen oder geschlossenen Lippen?«, fragte ihre Freundin gespannt. Mira sah, wie sich die Dame am Tisch hinter Gudrun sehr aufrecht hinsetzte und den Kopf ein wenig zur Seite drehte, um besser hören zu können.
    »Mal so, mal so«, meinte Mira ausweichend. Aber das war eine Lüge. Anselms Lippen waren geschlossen, fest geschlossen, wenn er sie küsste. Er umarmte sie dabei auch nicht, er legte ihr nur links und rechts eine Hand auf die Schulter, fast so, als wollte er Mira dadurch auf Distanz halten.
    »Mal so, mal so«, wiederholte Gudrun nachdenklich. »Na, dann ist ja vielleicht noch Hoffnung.«
    »Hoffnung worauf?«, fragte Mira ärgerlich, obwohl sie das Thema nun wirklich beenden wollte.
    »Dass er endlich Leidenschaft für dich entwickelt«, erklärte Gudrun. »Nimm’s mir nicht übel, aber so wie du ihn beschreibst, erscheint er einem als kalter Fisch.«
    »Na, du musst es ja wissen«, gab Mira pikiert zurück. Anselm und ein kalter Fisch. Da sollte Gudrun ihn einmal hören, wenn er über die Ausbeutung der Arbeiter in den Fabriken herzog, wenn er von seiner Musik sprach oder von einem Film erzählte, der ihn begeistert hatte. Sie sollte nur einmal sehen, wie seine Augen glänzten und welches Feuer in seiner Stimme lag. Sie liebte ihn, wenn er so redete, zu ihr ganz persönlich oder in der Versammlung. Sie musste sich richtiggehend zurückhalten, dass sie sich bei diesen Gelegenheiten nicht auf ihn warf und küsste – mit weit geöffneten Lippen.
    Nein, Anselm war kein sehr körperlicher Mensch, aber er war durch und durch leidenschaftlich. Von dieser Art von Leidenschaft verstand Gudrun jedoch nichts, weil sie viel zu oberflächlich dazu war, und darüber hinaus keine Spur von einem natürlichen, gesunden Schamempfinden besaß.
    »Ja, ich muss es auch wissen«, antwortete Gudrun und zog dabei ihre gezupften Augenbrauen weit in die Stirn. »Zumindest in Liebesdingen bin ich dir nämlich um einige Erfahrungen voraus.«
    Nun brüstete sie sich auch noch mit dieser Sache. Dabei war das Ganze doch so lächerlich, so abgeschmackt. So unverständlich.
    Als Gudrun Mira vor einigen Monaten zum ersten Mal von ihrer
speziellen Freundschaft zu Iris Pressmann
erzählt hatte, hatte Mira zuerst gar nicht begriffen, was Gudrun ihr eigentlich sagen wollte. »Ich weiß doch, dass du mit ihr befreundet bist«, hatte sie verständnislos entgegnet.
    »Aber es ist mehr als das«, hatte Gudrun gesagt, ohne Mira dabei anzusehen. »Wir lieben uns wirklich.«
    Gudrun und Frau Pressmann waren ein Liebespaar, das hatte sie inzwischen verstanden. Sie küssten sich und machten Dinge miteinander, die sonst nur Männer und Frauen miteinander machten. Wobei Mira sich wirklich fragte, was genau sie miteinander anfingen. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen. Was auch daran liegen mochte, dass sie bislang weder mit einer Frau noch mit einem Mann Erfahrungen gesammelt hatte, die über das Küssen mit geschlossenen Lippen hinausgingen.
    »Weiß eigentlich Herr Pressmann von der Affäre zwischen dir und seiner Frau?«, fragte sie Gudrun, während sie das letzte Stück Windbeutel in den Mund schob. Ihr war jetzt ein bisschen schlecht.
    Gudrun steckte eine Zigarette in den Elfenbeinfilter.«Er weiß es, aber es kümmert ihn nicht«, sagte sie gleichgültig. Sie hielt ein brennendes Streichholz an ihre Zigarette und sog angestrengt, bis das Ende zu glühen begann. »Sie pflegen eine sehr freizügige Ehe. Und ich glaube, er hält die Sache auch nicht für ernst.« Weißer Rauch quoll aus ihrem Mund und stieg zur Decke.
    »Ist es denn ernst?«, fragte Mira und hoffte, dass Gudrun lachen oder das Gesicht verziehen würde oder irgendetwas sagen würde, das diese seltsame Freundschaft mit der Pressmann relativierte. Aber Gudrun rauchte nur und dachte nach.
    »Es ist

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