ZITRONENLIMONADE (German Edition)
allein ins Bad gehen zu können.
Denken Sie an mich und alle anderen Behinderten, falls ihnen morgens vor dem
Aufstehen graut! Sie können wenigstens selber raus, auch wenn Ihnen der Rücken wehtun
sollte!
So
aber musste ich sowohl beim Toilettengang wie auch beim Duschen die Hilfe
meines Freundes annehmen und fragte mich, ob es normal war, dass mir das derart
schwer fiel. Das lag vermutlich daran, dass wir beide, obwohl wir zusammen wohnten,
unsere Körperpflege jeweils allein im Bad erledigten. Ich war der festen
Ansicht, dass es für eine Beziehung das absolute Aus bedeutete, wenn man all
seine Intimpflege ungeniert vor dem anderen verrichtete. Niemals hätte ich Mark
zugemutet, mir beim Zähne putzen, waschen, Nägel schneiden oder gar meiner
obligatorischen Körperenthaarung zuzusehen.
Wir
gingen normalerweise grundsätzlich nacheinander in unser Badezimmer. Mark ließ
sich nichts anmerken, aber ich spürte, dass es für ihn ebenfalls sehr
gewöhnungsbedürftig war, seiner Freundin bei derartigen Dingen zu helfen. Ich
musste ihm dauernd sagen, wie er mich am besten unterstützte und was ich brauchte,
da er sich völlig hilflos anstellte.
Ich war heilfroh, als ich frisch geduscht,
geschminkt und angezogen mit Mark neben mir ins Esszimmer rollte, wo die
Familie mittlerweile schon beim Frühstück saß. Danach musste Mark in die
Kanzlei, um "ein paar Akten auf Vordermann zu bringen". Er versprach, zum Kaffee wieder zurück zu
sein.
Eine
Stunde später waren Sabine und ich in einem Parkhaus in der Innenstadt
angelangt und sie stellte sich mit dem Kombi auf einem der ausgewiesenen
überbreiten Rollstuhlparkplätze im Erdgeschoss. Das war auch noch so ein Thema:
Ich war "stolze" Besitzerin eines nagelneuen Behindertenparkausweises
und das völlig gegen meinen Willen. Letzte Woche hatte in meinem Therapieplan,
den ich jeweils am Wochenanfang in meine Zimmer gelegt bekam, ein Termin mit
dem Titel: "Landeswohlfahrtverband - Information", gestanden. Ich
fuhr ziemlich neugierig zum angegebenen Zimmer und war geschockt, als mir der
gemütliche Beamtentyp hinter dem Schreibtisch ein Formular auf Antrag eines
Behindertenausweises vorlegte und mir erklärte, dies würde er jetzt mit mir
zusammen ausfüllen!
Ich reagierte völlig abwehrend und erklärte
ihm, das sei wirklich nicht nötig, da ich spätestens am Ende meiner Reha wieder
laufen könne und diesen Ausweis ohnehin nie benützen werde. Der Mann muss sich
seinen Teil gedacht haben. Dennoch blieb er freundlich und schlug mir
diplomatisch vor, dieses Formular einfach mal "prophylaktisch"
auszufüllen und den Ausweis zurück zugeben, wenn ich ihn nicht mehr benötigen
würde.
Mit
diesem Vorschlag konnte ich leben und so antwortete ich auf all seine Fragen,
unterschrieb das Formular mit der linken Hand völlig unleserlich und war dabei
aus tiefstem Herzen überzeugt, diesen Ausweis, der mir kurz darauf zugeschickt
wurde, niemals zu benutzen! Ich wäre mir ja wie ein Hochstapler vorgekommen,
gegenüber all den wirklich Behinderten!
Jedenfalls
hatte ich genau diesen blauen Rollstuhlparkausweis "zufällig" in
meiner Handtasche und legte ihn gerade erstmals deutlich sichtbar auf die Ablage
hinter der Frontscheibe. Sabine freute sich über den Parkplatz, da das Parkhaus
trotz des frühen Vormittags schon überfüllt war. Ständig kurvten neue Wagen auf
der Suche nach einem freien Platz um die Ecke der Auffahrt. Mittlerweile schaffte
ich das Umsetzen vom Auto in den Stuhl auch schon routinierter, Sabine wusste
jetzt genau, wie sie mich anfassen musste und wenige Minuten später schob sie
mich hinaus in die gleißende Sonne. Für Ende März war es verhältnismäßig mild.
Ich trug Jeans, ein leichten Langarmpulli, Seidenschal und eine Jacke sowie
meine Baseballstiefel, Sabine hatte sich - vermutlich mir zuliebe, sonst geht
sie gerne aufgebrezelt in die Stadt - ähnlich sportlich angezogen, sogar mit
Turnschuhen an den Füßen!
Rings
um uns tobte der übliche Samstagstrubel in der Fußgängerzone einer Großstadt.
Menschenmassen wälzten sich durch die Einkaufsstraßen, Familien mit Kinderwägen
oder ihrem Nachwuchs fest an der Hand, schick angezogene Singlefrauen betrachteten
interessiert die Schaufenster, lässig gekleidete Studenten schoben ihre Räder
und Sabine schob mich. Ich bat sie, mit mir in das nächste große Kaufhaus zu
gehen, wo ich mir mithilfe der sachkundigen Beratung meiner Freundin eine
Sonnenbrille mit UV-Schutz und großen
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