ZITRONENLIMONADE (German Edition)
falscher Gangart, nur unabhängig sein.
Sabine
unterbrach meine düsteren Gedanken. " Hier Chris", sie schob mich
geradeaus in ein großes geräumiges Gästezimmer mit einem Doppelbett, "das
wird für die nächsten Tage dein Reich sein. Wenn irgendetwas fehlt, einfach
melden." Ich war überwältigt. Das Zimmer, welches ich noch nie zuvor
gesehen hatte - sie hatten es erst kürzlich für Sabines Schwiegereltern, die in
Hamburg lebten und ab und zu auf Besuch kamen, hergerichtet - wirkte mit den zartgelb - grauen
Übervorhängen, dazu passenden Bettüberzügen, dem hellgrauen Nadelfilzteppich
und einem gelben Tischchen, auf dem eine Vase mit Margeriten stand, hell und
freundlich. Gleich neben einem großen Einbauschrank führte eine Tür, die für
meinen Rollstuhl breit genug war, ins Badezimmer. Hier war es jedoch wesentlich
enger als in der Reha und obwohl die Dusche ebenerdig begehbar war und Sabine
sogar einen Duschhocker hinein gestellt hatte, erkannte ich sofort, dass ich
für alle Verrichtungen Hilfe brauchen würde.
Ich
konnte mit dem Rollstuhl nicht wie gewohnt neben die Toilette fahren und mich
umsetzen, stattdessen musste ich davor stehenbleiben und mir von jemandem
helfen lassen, aufzustehen, mich zu drehen und dann abzusitzen (auf jeden Fall
Sabine, nur nicht Mark). Ich hatte auch Zweifel, was den dreibeinigen
Duschhocker ohne Lehne anging. Würde ich mit meinen Gleichgewichtsschwierigkeiten
überhaupt in der Lage sein, darauf zu sitzen? Schon sank meine Laune wieder. Selbstständigkeit
ade!
Aber
ich wollte unsere Freunde, die die Mühe, mich zu beherbergen, auf sich nahmen,
nicht vor den Kopf stoßen, also heuchelte ich Begeisterung und gute Laune.
Sabine musste meine Befürchtungen geahnt haben, denn sie erklärte mir beruhigend:
"Beim Duschen und auch sonst ruf´ mich einfach, ich helfe dir dann."
Als
wir kurz darauf alle um den großen runden Esszimmertisch versammelt saßen und
Sabines hervorragenden Lammbraten verspeisten, hatte ich mich wieder gefangen.
Alle plauderten fröhlich durcheinander, die Kinder überboten sich darin, mir
alles zu erzählen und mich gleichzeitig über die Reha auszufragen. Ich gab mir
redlich Mühe, alles zu beantworten, spürte aber, wie mich der bisher ungewohnte
Tagesablauf ermüdet hatte. Als sie zusammen den Tisch abgeräumt hatten - Mark war
ungewohnt still, trug aber ebenfalls meinen und seinen Teller brav in die Küche
- schlug Sabine taktvoll vor, mich jetzt ein Stündchen Mittag machen zu lassen.
Mark
brachte mich ins Zimmer und musste mir auf das Bett helfen, denn dieses war
wesentlich niedriger als mein höhenverstellbares Bett in der Reha, und auch
viel niedriger als die Sitzfläche meines Stuhles, deshalb konnte ich mich hier
nicht allein umsetzen. " Ich mache einen kleinen Spaziergang, in einer
Stunde oder so hole ich dich wieder, Chris." Er gab mir einen Kuss auf die
Stirn und verließ das Zimmer. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihm
in diesen Haus zu viel Trubel herrschte. Mark hatte strikte Vorstellungen
davon, wie sich Kinder zu verhalten haben. Seine ständige Redensart mir
gegenüber: Kinder soll man sehen, aber nicht hören. Diesen dämlichen Spruch hatte
er von seiner Mutter, die ihn als Einzelkind groß gezogen hatte und sehr streng zu ihm gewesen war.
Ich
hoffte, er würde, sofern wir mal eigene Kinder hätten, in dieser Hinsicht etwas
lockerer werden!
Es
war still im Raum, nur eine leichte Brise von außen bauschte die Vorhänge in wenig
und trotzdem ich todmüde war, ging mir so viel durch den Kopf, dass ich nicht
schlafen konnte. Obwohl ich mich hier im Kreise meiner besten Freunde und
meines Liebsten befand, fühlte ich mich, als ob ich auf einem anderen Stern
gelandet wäre: Alles war für mich so ungewohnt, vieles vom Rollstuhl aus allein
nicht machbar (die Stufen, oder die Toilette, Möbel die zu eng stehen) und -
hier waren nur gesunde bewegungsfähige Menschen um mich herum, die mir allein
durch ihre Gegenwart meine Behinderung ständig schmerzlich vor Augen führten.
Schon
die Tatsache, dass ich hier in diesem Bett praktisch festsaß, da ich, obwohl
mein Rollstuhl gleich neben mir stand, keine Chance hatte, selbstständig
aufzustehen, machte mich fertig. Ich machte mich noch weiter fertig, indem ich
mir vorstellte, wie ein Feuer ausbrach, keiner käme und ich hier hilflos mein
Leben aushauchen würde! Als ich gedanklich bei meinem Ableben durch Verbrennen
oder Rauchvergiftung angekommen war, übernahm mein
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