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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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gesunder Menschenverstand
wieder das Kommando. Jetzt reicht´s, Christina! Als ob mich meine Freunde im
Notfall hier liegen lassen würden! Trotzdem war meine Stimmung nicht besonders
gut. Und ich war noch nicht einmal einen ganzen Tag hier!
     
    Sabine
kam nach einer Stunde vorsichtig herein und holte mich wieder zu den anderen.
Mark war immer noch unterwegs. Ich erklärte ihr, welche Hilfestellung ich
bräuchte, um aufstehen zu können und sie half mir auch gleich noch im Bad auf die
Toilette. Nachmittags unternahmen wir alle zusammen einen Spaziergang in den
nahegelegenen Englischen Garten. Für Nichtmünchener:
    Der   Englische Garten ist eine große Grünanlage
im Münchener Nordosten am Westufer der Isar und gehört zu den größten
Parkanlagen der Welt. Die Bezeichnung rührt von den Englischen
Landschaftsgärten her, die bei der Gestaltung des Geländes zum Vorbild genommen
wurden. Die Länge des gesamten Wegenetzes dort beträgt ca. 78 km, wovon 12 km
Reitwege sind. Da dieser Park von einer Menge Bäche durchzogen wird und auch
zwei Seen beinhaltet, gibt es dort über hundert Brücken und Stege.
    Wir
passierten den Chinesischen Turm, einen hohen Holzbau im Stil einer Pagode, wo sich   der   zweitgrößte Biergarten Münchens befindet.
    Die
Tische dort waren wegen des guten Wetters schon fast voll besetzt. Mark, Alex
und Sabine schoben mich abwechselnd und obwohl ich mich nach Kräften bemühte,
diesen Ausflug bei herrlichem Sonnenschein zu genießen, fiel mir das unheimlich
schwer. Hinter dem Monopterus, einem auf einem Hügel liegenden Rundtempel und
einem weiteren Wahrzeichen Münchens, kamen wir an der berühmten Schönfeldwiese
vorbei, die durch die vielen Nacktbadenden bekannt wurde, als in den Sechziger Jahren
die Freikörperkultur ihre Anfänge nahm. Heute gab es zwar keine Nackten zu
sehen, aber ich beobachtete wie hypnotisiert all die Frauen, Männer,
Jugendlichen und Kinder, die sich auf der Wiese niederließen, die ersten
Sonnenstrahlen genossen, picknickten, aufstanden, liefen, gingen, teilweise
joggten oder ihren Kindern nachrannten, während ich hier wie ein altes
Mütterchen im Rollstuhl hockte und mich herum schieben lassen musste.
    An
einem Kiosk kauften wir uns ein Schleckeis. Korrektur: die anderen kauften ein,
ich wartete daneben. Als ich gerade etwas abseits stand, die Männer standen an
und Sabine war mit Dennis zu einem der Spielgeräte in der Nähe gegangen, kam
ein Ehepaar den Weg entlang. Sie schob ihn, der ebenfalls im Rollstuhl saß. Sie
stellte ihn ganz in meiner Nähe ab, betätigte fürsorglich die Feststellbremse   und reihte sich in die Schlange vor dem Kiosk
ein. Tja, da saßen wir nun beide tatenlos in der Sonne herum und mussten
warten, bis uns die anderen "bedienten". Er sagte nichts, warf mir
aber einen kumpelhaften Blick zu, so nach dem Motto " Wir Behinderte
müssen zusammenhalten", während uns die Vorbeilaufenden teilweise
unverhohlen neugierig anblickten oder unsicher den Kopf zur Seite drehten. Wahrscheinlich
hielten die uns für ein Paar und überlegten, wie das funktionierte…
    Ganz
selten nur sah ich Menschen, die völlig unbefangen reagierten oder freundlich
lächelten. Und das, obwohl wir im zwanzigsten Jahrhundert angekommen waren! Wie
schlimm musste es in der Vergangenheit gewesen sein, sich als Behinderter in
der Öffentlichkeit zu bewegen? Kleiner Einschub in eigener Sache: Sollten Sie
einem Menschen im Rollstuhl   oder einer
sonstigen sichtbaren Behinderung begegnen, bitte starren Sie nicht, drehen Sie
nicht den Kopf zu Seite, und sehen Sie ihn auf keinen Fall mitleidig an!
Lächeln sie freundlich, begegnen Sie ihm sozusagen auf Augenhöhe und wünschen
Sie ihm einen guten Tag. Er wird Sie dafür lieben und sich den Rest des Tages
freuen, dass ihn jemand NORMAL behandelt hat.
    Und
was tat ich gerade? Ich schämte mich selber dafür, aber ich reagierte nicht auf
den verbrüdernden Blick meines Leidensgenossen. Ich war nicht behindert, niemals. Ich saß nur kurzfristig hier
drin, zufällig sozusagen, und bald würde ich hier wie alle anderen wieder durch
diesen Park joggen…
    Mental
gehörte ich zur gesunden Seite der Menschheit! Sie werden es vielleicht schwer
nachvollziehen können, aber nur mit dieser zugebenermaßen blauäugigen
Einstellung, dieser "rosaroten Brille", schaffte ich es, meine
Situation einigermaßen zu ertragen, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden
und einfach loszubrüllen.
     
    Am
Abend hatte Sabine noch ein paar Freunde

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