ZITRONENLIMONADE (German Edition)
die man nicht unterschätzen sollte."
Sie
hatte völlig Recht, aber den Rest des Abends fühlte ich mich deprimiert. Als
ich im Bett lag, konnte ich partout nicht einschlafen. Erstmals seit ich hier
gelandet war, machte ich mir Sorgen darum, wie mein Leben weitergehen sollte.
Ich konnte nicht bis in alle Ewigkeit in diesem Rehazimmer wohnen bleiben. Beim
letzten Arztgespräch vor Ostern hatte mir der Stationsarzt eröffnet, dass mir
meine Krankenkasse aufgrund meines jugendlichen Alters sowie meiner guten
Fortschritte nochmals eine fünfwöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme
bewilligt hätte. Und jetzt befasste ich mich erstmals mit dem Problem, wohin
ich dann gehen sollte. Vor Ostern hatte ich immer noch die irrationale Hoffnung
gehegt, mein ´normales Leben` bald fortführen zu können. Aber unsere gemeinsame
Wohnung, das hatte ich jetzt am eigenen Leib erfahren, war für mich nicht als
Daueraufenthaltsort geeignet. Und ich hatte mir die kindliche Vorstellung, aus
dieser Rehaklinik gesund und munter wie vor der Gehirnblutung hinaus zu spazieren,
abgeschminkt.
Wir
würden, zumindest bis ich gelernt hätte, eine Treppe zu laufen, ein Bett im
Wohnzimmer aufstellen müssen. Aber das allein war keine Lösung, da ich in
unserem Bad nicht einmal duschen könnte: Wir besaßen eine über Eck eingebaute
Designerbadewanne, zu der drei Stufen hinauf führten, und in der ich bis zu
meinem Schlaganfall geduscht und Haare gewaschen hatte. Ich hatte keine Chance,
allein oder sogar mit Hilfe in dieses Teil hinein und wieder heraus zu kommen. Unser
Bad würde sich nur durch einen Totalumbau behindertengerecht einrichten lassen.
Ebenso müssten wir eine neue Treppe nach oben einbauen lassen, mit Geländern
beidseits. Ratlos wälzte ich mich hin und her. Mark hatte bisher ebenfalls kein
Wort davon verlauten lassen, wie es praktisch weitergehen sollte, wenn er mich
aus dieser Einrichtung abholen würde. Ich würde ihm beibringen müssen, dass wir
uns entweder zusammen eine neue behindertengerechte (ich hasste dieses Wort
immer noch) Bleibe suchen oder, falls er da nicht mitzog, ich mir eine eigene
Wohnung suchen müsste, in der ich allein klar käme. Ich nahm mir vor, mit ihm
bei seinem nächsten Besuch am Freitag darüber zu reden.
In
dieser Woche verdoppelte ich meine Anstrengungen bezüglich meiner Genesung.
Ich
übte in jeder freien Minute in meinem Zimmer mit den Hanteln und dem Theraband,
benutzte täglich die "Rennstrecke" und schrieb eine Art Kurztagebuch, in welchem ich meine
täglichen Gedanken notierte. Mittlerweile war ich in der Schreibgruppe zu den
Guten aufgestiegen, zu denen, die ganze Passagen aus Büchern handschriftlich
abschreiben konnten. Meine Schrift glich immer noch der eines Erstklässlers,
krakelig und unbeholfen, aber zumindest war sie normal groß und man konnte einigermaßen
entziffern, was ich da zu Papier brachte. Eigentlich hätte ich die Gruppe nicht mehr gebraucht, hütete mich aber,
diesbezüglich etwas zu sagen, denn jede Therapie stellte eine Abwechslung vom
langweiligen Rehatag dar. Hatte ich Pause, las ich mir in meinem Zimmer
seitenweise Bücher und Zeitungsartikel laut vor.
Außerdem
lag ich stundenlang auf dem Bett und versuchte, mein rechtes Bein anzuheben.
Das klappte schon ganz gut, aber es schwankte bei diesen Übungen stark auf und
ab und nach etwa drei Sekunden knallte es regelrecht auf die Unterlage herunter,
weil die Muskulatur schwach war und nicht richtig angesteuert wurde. Aber auch
da spürte ich Fortschritte, zwei Wochen früher war an so etwas überhaupt nicht
zu denken gewesen!
Wenigstens
bezüglich meiner Physiotherapie war das Schicksal auf meiner Seite: Als ich am
Dienstagmorgen missmutig, weil auf Peter gefasst, zu meiner auf dem Wochenplan
ausgewiesenen Übungseinheit fuhr, erwartete mich im Therapieraum statt Peter
eine schlanke Frau mit sportlich kurzen brünetten Haaren und reichte mir die
Hand. " Hallo, ich bin Lisa Dörflinger, ich vertrete Peter, der die
nächsten beiden Wochen auf einer Fortbildung sein wird." Mein erster
boshafter Gedanke: Eine Fortbildung, ja die hatte er dringend nötig, bevor er
wieder auf Patienten los gelassen würde…Und dann folgte die Freude darüber,
dass ich mich zumindest für die kommenden vierzehn Tage nicht mehr mit ihm
herum ärgern musste!
Lisa
war nicht halb so zimperlich wie er. Als ich ihr berichtete, dass ich so gerne
möglichst bald aus diesem Stuhl raus in die Senkrechte und mich bewegen wollte,
hatte
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