ZITRONENLIMONADE (German Edition)
der
die Klinikgebäude miteinander verband. In meinem Überschwang wäre ich beinahe
in einen mir entgegenkommenden Mann hinein gefahren und konnte gerade noch
abbremsen. Kurz vor seinen Fußspitzen kam ich zum Stehen, während er
vorsichtshalber einen Schritt nach hinten machte.
Er
war groß gewachsen, sodass ich den Kopf leicht in den Nacken legen musste, um
ihm ins Gesicht zu sehen. Glücklicherweise nahm er mir meinen Schwung nicht
übel, sondern lachte über das ganze Gesicht.
"
Na, wollen Sie für die Olympiade im Rollstuhlrennen trainieren? Tut mir leid,
dass ich Ihnen in den Weg gelaufen bin. Aber ich habe nicht damit gerechnet,
dass in diesen Gängen derartige Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt
werden!"
Mit
einem Blick erfasste ich seine gesamte sympathische Erscheinung. Dass er groß
war, sprach unbedingt für ihn. Wobei ich in meinem Leben schon des Öfteren
feststellen musste, dass gerade die großgewachsenen Männer oft regelrechte
Püppchenfreundinnen bevorzugen, solche, die extrem zierlich und bis zu
anderthalb Köpfen kleiner sind als sie, wahrscheinlich, weil diese Mädels zu
ihnen auf sehen und der Mann sich doppelt stark und mächtig vorkommen kann! Und
jedes Mal, wenn ich ein solches Paar sah, welches aussah wie Pat und Patachon,
ärgerte ich mich insgeheim über die Ungerechtigkeit der Welt. Die kleingewachsenen
Frauen haben von Haus aus größere Auswahl an Mannsbildern und müssen
infolgedessen doch nicht uns Großen auch noch die dünn gesäten passenden Männer
wegnehmen!
Aber
das Exemplar, welches gerade vor mir stand, war - soweit ich erkennen konnte -
solo, zumindest augenblicklich. Er trug eine blaue sehr gut sitzende Jeans (ich
guckte Männern IMMER auf den Hintern und auf die Hände) mit dazu passendem
weiß-blau gestreiftem Kurzarmhemd und einer braunen Lederjacke, die er lässig
über die Schulter geworfen hatte. Sein dunkelblondes welliges Haar hätte wieder
mal einen Friseurbesuch vertragen können und seine dunklen Bartstoppeln verrieten,
dass er sich heute nicht rasiert hatte, aber seine fröhlich drein blickenden
Augen mit den Lachfältchen, die mich aus einem braungebrannten Gesicht mit
einer etwas schiefen Nase, markanten Wangenknochen und Lachgrübchen prüfend
musterten, die hatten das gewisse Etwas. Er strahlte eine humorvolle lässige
Selbstsicherheit aus. " Sie sind nicht zufällig Christina Salten?"
Jetzt war es an mir, ihn überrascht anzusehen.
"
Doch, genau die bin ich. Aber woher kennen Sie mich?"
Breit
lächelnd streckte er mir die Hand entgegen.
"
Ich bin Robert Wallner. Meine Mutter hat Sie mir genau geschildert und die
Beschreibung war treffend: Sie ist jung, willensstark und sehr gut aussehend,
es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihren Rollstuhl in die Ecke stellt,
waren Mamas Worte. Benutzen Sie die Hanteln und das Theraband noch?"
Ich
schnappte innerlich nach Luft. So hatte ich mir den Sohn meiner mütterlichen
Freundin wahrlich nicht vorgestellt! Ich hatte bei ihren wenigen Informationen
über ihn insgeheim einen etwas unbeholfenen, vergeistigt wirkenden Junggesellen
vor meinem inneren Auge gehabt, obwohl sie mir lediglich erzählt hatte, er sei
unverheiratet, Mitte Dreißig, Professor an der Uni Konstanz und kümmere sich
sehr liebevoll um sie. Aus dieser Beschreibung machte ich dann gedanklich ein schmächtiges
unattraktives gelehrtes Mamasöhnchen!
Der
Typ, der da vor mir stand, fiel eher unter die Sparte "Verwegener
Pirat". Er hatte das gewisse Etwas, so wie mein Lieblingsschauspieler
Richard Gere: Kein direkt klassisch schönes Gesicht, aber vom Gesamteindruck
total anziehend. Gleich war ich wieder misstrauisch. Irgendeine Macke musste
der doch haben, wenn er mit diesem Aussehen noch nicht verheiratet war!
Wahrscheinlich bindungsunfähig!
Ging
mich aber gar nix an, denn ich wollte ja nichts von ihm. Ich würde in einem
halben Jahr Mark heiraten.
Ich
ergriff seine ausgestreckte Hand (er hatte schöne Hände mit gepflegtem Nägeln)
mit meiner Rechten und achtete darauf, seinen festen Händedruck einigermaßen kräftig
zu erwidern. Nichts fand ich schlimmer als jemanden, dessen Hand sich bei einer
Begrüßung anfühlte wie eine tote Weinbergschnecke! Peter zum Beispiel, der hatte,
als er sich in der ersten Therapiestunde bei mir vorstellte, lediglich seine
schlaffe feuchte Hand in meine gelegt - Ein
totales Igitt-Gefühl! Robert Wallner
ließ sich ganz selbstverständlich auf einer der tiefen Fensterbänke nieder.
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