ZITRONENLIMONADE (German Edition)
meinem Leben in
absehbarer Zeit ein Ende zu setzen. Sie könnte mich ja dann schimpfen, wenn ich
bei ihr angekommen wäre! Nur das Wie und das Wann waren noch unklar, aber
allein der Entschluss, den ich gefasst hatte, ließ mich innerlich total ruhig
werden. Ewige Ruhe, ewiger Frieden!
Nur
schade, dass man mich nach meiner Gehirnblutung gerettet hatte. So viele
Menschen hatten Zeit, Arbeit und Geld in mich investiert, und alles umsonst!
Jetzt
brauchte ich mich nicht länger mit Liebeskummer und Sorgen, wie ich mein Leben
nach der Rehaklink gestalten würde, beschäftigen. Nur noch damit, einen
möglichst raschen, schmerzlosen und für die Hinterbliebenen appetitlichen
Freitod herbei zu führen. Soviel Empathie hatte ich noch, denjenigen, die mich
finden würden, keine zusätzlichen Scherereien zu bereiten. Erschießen - noch
dazu innerhalb eines Hauses - ging
schon mal gar nicht: zu viel Sauerei! Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass
ich keine Schusswaffe mein eigen nannte und auch diesbezüglich keine
Beziehungen zur Unterwelt hatte, um an eine ran zu kommen.
Sich
vor ein Auto oder einen Zug werfen - in meinem Fall praxisuntauglich. Stellte
mir vor, wie ich im letzten Moment rausgeschleudert und lediglich der Rollstuhl
überfahren würde…
Blieben
nur die klassischen Möglichkeiten wie Pulsadern aufschneiden oder
Schlaftabletten zu nehmen.
Da
ersteres ja wieder mit einer gewissen Schweinerei verbunden war - viele machen
es in der Badewanne, da läuft das Blut schneller und komplikationsloser ab und
man kann diese hinterher problemlos säubern - und ich derzeit in keine
Badewanne reinkam, blieb als sauberste und angenehmste Art die
Tablettenmethode.
Ein
paar von den Dingern hatte ich bereits gehortet, wenn auch nicht in
selbstmörderischer Absicht. Im Krankenhaus und der Reha erhielt man das Zeug
nur stückweise und musste es immer unter Aufsicht runterschlucken, damit eben
kein Sammeln für ungewollte Zwecke möglich war. Aber mir wurden die
Schlaftabletten im Krankenhaus quasi zwangsweise aufgenötigt. Beim ersten Mal
hatte ich eine genommen, geschlafen wie eine Tote und am nächsten Morgen fühlte
ich mich auch nach dem Aufwachen noch so…Die folgenden Abende hatte ich dann,
um Diskussionen zu vermeiden, die Tablette vor der Schwester in den Mund
genommen, mit der Zunge unauffällig in die Backentasche befördert und das
Wasser, aber nicht die Tablette geschluckt. Die beförderte ich gleich wenn die
Luft rein war, in meine Hand und von da aus in eine Seitentasche meines
Schminktäschchens, welches griffbereit im Nachtkästchen lag, da mir der Weg zum
Mülleimer ja nicht möglich gewesen war.
Ich
hatte die Dinger eigentlich schon lange entsorgen wollen, aber bis jetzt gar
nicht mehr dran gedacht. Ich schätzte mal, es müssten an die zwanzig Stück
sein. Reichte vermutlich noch nicht ganz fürs Nirwana. Aber mit meinem
Schauspieltalent würde ich die Schwestern hier überzeugen, dass ich gerade an
Schlafschwierigkeiten litt und mir weitere Munition besorgen. Juristisch
gesehen handelte ich ab jetzt mit Vorsatz, das vorherige Horten der Tabletten
war nur Fahrlässigkeit gewesen. Nun, da ich meine weitere Vorgehensweise geplant
hatte, bestand keine Eile mehr. Auf einige Tage mehr oder weniger in meinem
irdischen Dasein kam es nicht an.
Interessanterweise
hatte sich auch meine Stimmung aufgehellt, nichts konnte mich mehr berühren.
Angesichts der nahenden Ewigkeit schienen die weltlichen Probleme alle sehr
unbedeutend. Und - ich hatte die
Kontrolle über mein Leben wieder gewonnen! ICH entschied das weitere Procedere.
Gerade als ich mir meine Beerdigung ausmalte und wie Mark gramgebeugt und
schwer getroffen an meinem Sarg stehen und es aus tiefstem Herzen bereuen würde,
mich je verlassen zu haben, riss mich eine fröhliche Stimme zurück in die Wirklichkeit.
Iris Wallner kam übers ganze Gesicht strahlend auf mich zu. Ich erfuhr auch
gleich den Grund für ihre gute Laune. "Guten Morgen, Christina! Ein
herrlicher Tag, nicht wahr!" Noch bevor ich meine Zustimmung heucheln
konnte, sprudelte sie weiter:
"
Ich bin so guter Laune heute. In einer Woche darf ich nach Hause. Ein Freund
meines verstorbenen Mannes, der lange Zeit im Ausland lebte, hat mich in den
letzten Tagen sehr oft besucht, heute kommt er wieder. Stellen Sie sich vor,
Christina, wir haben uns trotz unseres Alters ineinander verliebt! " Bei
jedem Satz hörte ich förmlich das Ausrufezeichen dahinter. Na prima, ich war
abserviert
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