ZITRONENLIMONADE (German Edition)
gleich ein. Nur das übliche Morgengrauen erlebte ich in doppelter Hinsicht: Ich erwachte,
als der Tag graute und mir graute vor dem Tag.
Da ich den ganzen Samstag mit Mama und Martina
verbrachte, verflog die Zeit gottseidank schnell. Am Abend allerdings, als es
ans Verabschieden ging - Martina würde am Montag bereits zurück nach Australien
fliegen - wurde mir schwer ums Herz. Ich beneidete meine Schwester um ihre gesicherten
und geordneten Lebensumstände, dass es Brad gab, der auf sie wartete und sie
heiraten würde. Darauf, dass sie gesund war, in den Flieger nach Australien
steigen und sich auf ihr jetziges Zuhause freuen konnte. Gleichzeitig schämte
ich mich für meine kleinlichen Neidgefühle und hoffte sehr, dass sie und Mama
nichts davon bemerken würden. Martina umarmte mich fest, und während sie mich
drückte, flüsterte sie:
"
Chris, für dich sieht momentan alles düster aus, aber denk an Omas Worte: Aus
jeder Zitrone kann man Limonade machen!"
Ich
lächelte schwach; angesichts der zentnerschweren Wagenladung von Zitronen, die
ich erhalten hatte, könnte ich damit ganz Afrika vor dem Verdursten retten! Mama
war besorgt darüber, dass ich den Sonntag in meinem desolaten Zustand allein
verbringen musste. Ich schaffte es, sie zu beruhigen, indem ich ihr
vorschwindelte, etwas mit Frau Wallner ausgemacht zu haben.
Als
ich mit den beiden auf den Parkplatz hinaus rollte, um ihnen zum Abschied zu
winken, sah ich aus der Ferne Robert Wallner mit seiner Mutter, wie er an
seinem Wagen lehnte. Iris schien sich ebenfalls gerade von ihm zu
verabschieden, sie umarmte ihn kurz und er drückte ihr einen Kuss auf die
Wange. Ich hoffte, dass mich die beiden nicht sehen würden, da mir nicht nach
unverbindlichen Geplauder war. In diesem Moment stieg eine dunkelhaarige Frau
an der Beifahrerseite seines Wagens aus, kam um das Auto herum und gab Iris
ebenfalls die Hand. Ich winkte Mama und Martina, die eben vom Parkplatz wegfuhren,
mechanisch zu und konnte meinen Blick nicht vom Wallnerschen Auto lösen. Als der
Wagen meiner Mutter um die Kurve gebogen und außer Sicht war, begab ich mich
schnell in den schützenden Eingangsbereich und "spannte" dabei weiter. Immer
noch stand Iris mit ihrem Sohn und der Fremden vor dem Wagen. Sie unterhielten
sich angeregt und dann legte die Dunkelhaarige, die soweit ich das erkennen
konnte, sehr attraktiv war, aber natürlich zwei Köpfe kleiner als Robert (hatte
ich´s nicht gesagt) besitzergreifend ihre Hand auf seinen Unterarm. Schließlich
stiegen die beiden ins Auto und fuhren die lange Auffahrt hinunter. Bevor Iris
zur Eingangstür kam, zog ich mich schnell ins Innere der Klinik zurück und
rollte in mein Zimmer. Wer war diese Frau? Gut ausgesehen hatte sie, schlank,
schätzungsweise Mitte Dreißig. Aber - mit trotziger Schadenfreude hatte ich festgestellt,
dass der schmale knielange Rock, den sie anhatte, ihre außergewöhnlich
kräftigen Waden unvorteilhaft betonte! "Krautstampfer" hätte man in
Bayern dazu gesagt!
Pfui,
was war ich gehässig! Was ging es mich denn an, mit wem Robert Wallner
unterwegs war und wie sie aussah? Ich hatte mit ganz anderen Problemen zu
kämpfen. Meine Gefühle für Mark schwankten ständig zwischen Wut und
abgrundtiefer Traurigkeit. Trotzdem ich ihn andauernd dafür ohrfeigen hätte
können, wie schäbig er mich hintergangen hatte, vermisste ich ihn schrecklich,
sehnte mich danach, seine Stimme zu hören, von ihm nur noch einmal in die Arme
genommen zu werden. Ich stellte mich an wie eine Drogensüchtige auf Entzug!
In meinem Zimmer angekommen, tat ich etwas
total Bescheuertes: Da er sich um diese Zeit garantiert noch im Büro befand,
wählte ich unsere gemeinsame Privatnummer, nur um Marks Stimme auf dem
Anrufbeantworter hören zu können. Ich wartete auf den mir vertrauten Text "Hallo, hier ist der Anschluss von
Christina und Mark", und mich durchfuhr ein erneuter Schock, als ich
erkennen musste, dass er mich auch auf dem Anrufbeantworter bereits
buchstäblich gelöscht hatte.
Ein
forsches "Sie sprechen mit dem Anrufbeantworter von Mark Warenberg. Leider
kann ich ihren Anruf im Augenblick nicht persönlich entgegen nehmen. Ich rufe Sie
jedoch gerne zurück, wenn sie nach dem Signalton ihre Nummer
hinterlassen." schallte mir entgegen. Längst war der Signalton ertönt, als
ich noch immer fassungslos den Hörer anstarrte. Meine Fantasie schlug
Purzelbäume: Wahrscheinlich wälzte er sich gerade mit Marla in unserem
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