ZITRONENLIMONADE (German Edition)
jeden Fall richtig...Man sah es ja an dieser Gehirnblutung, dachte ich
ironisch. Totalpflegefall mit Halbseitenlähmung und Stottern!
"Weiß eigentlich deine Mutter
schon Bescheid?" wollte sie dann wissen.
" Wahrscheinlich nicht, sonst wäre ich
hier nicht rein gekommen. Sie würde da sitzen wie ein Zerberus, hätte die
Oberherrschaft über die Station übernommen und würde alle in den Wahnsinn
treiben!", beantwortete sie sich
ihre Frage selbst. Bei dem Gedanken an die Frau, die mich groß gezogen hatte, schloss
ich genervt die Augen.
"Mark hat´s ihr telefonisch
häppchenweise beigebracht und etwas beschönigt. Bis jetzt konnte er sie davon
abhalten, mit fliegenden Fahnen herbei geeilt zu kommen. Sie und mein Vater
sind gerade im Urlaub auf Mallorca und kommen erst in zwei Wochen wieder."
"Na, dann genieß die Ruhe bis
dahin!"
Sabine hatte eine meiner heimlichen
Sorgen angesprochen. Ich hatte schon vor meinem Abitur darauf hingearbeitet,
mich baldmöglichst von der Herrschsucht meiner Mutter zu befreien und
unabhängig zu werden. Mutter hatte ihre
Familie, meinen Vater eingeschlossen, immer als ihre Leibeigenen betrachtet,
die sie nach Herzenslust herum kommandieren konnte und die immer nach ihrer
Pfeife tanzen mussten. Nach meinem Abi hatte ich mir bewusst einen Studienort
in 300 km Entfernung gesucht, um sie nicht dauernd sehen zu müssen und von ihr
für alles kritisiert zu werden. Lediglich Mark fand Gnade vor ihren Augen. Er
war immer ausgesucht höflich zu ihr, fand aber, sie mische sich zu sehr in mein
Leben ein.
Vor allem, da er seine eigene Mutter,
die sich nie um ihn gekümmert und ihn mit acht Jahren in ein Internat
abgeschoben hatte, sehr selten traf. Sein Vater hatte nach der Scheidung von ihr wieder geheiratet und lebte mit seiner neuen Frau in England. Ihn sah Mark
so gut wie niemals. Er war Familienleben nicht gewöhnt.
" Wenigstens hast du dir den
richtigen Mann ausgesucht“, wiederholte Mama ständig, wenn die beiden
aufeinander getroffen waren und sie mich kurz allein erwischte.
"Sieh nur zu, dass dieses Prachtexemplar auch
bei dir bleibt." Es klang jedes
Mal so, als ob sie nicht begreifen konnte, was er an mir fand…
Ich war mir todsicher, dass sie mir als
erstes Vorwürfe machen würde, weil ich hier herum lag, anstatt etwas
Produktives zu tun. Wahrscheinlich würde sie mir als Ursache für mein Zusammenklappen
meinen anstrengenden Job vorhalten oder mein Essverhalten kritisieren. Dass das
Angiom, also die Gefäßmissbildung, angeboren war, würde sie geflissentlich
ignorieren. Wie immer waren alle in ihrer Umgebung selbst schuld an dem, was
ihnen zustieß. Unausgesprochen schwang in ihren Bemerkungen ständig ihre
Selbstgerechtigkeit mit, dass sie alles richtig machte und es deswegen in ihrem
Leben keine unvorhergesehenen Überraschungen und Katastrophen gab. Ich hatte
meiner Mutter zeit meines Lebens nie etwas Böses gewünscht, aber immer gehofft,
dass mal irgendetwas passieren würde, was ihr unerschütterliches Selbstbewusstsein
ins Wanken brächte. Das war aber bis jetzt nie eingetreten.
Nicht einmal der Herzinfarkt meines
Vaters vor drei Jahren hatte sie sonderlich erschüttert. Natürlich war er
selbst dafür verantwortlich, weil er keinen Sport machte und zu viel
Süßigkeiten aß. Mein Vater war ein weicher nachgiebiger sanfter Mensch, der sich
ihr gegenüber nie auflehnte, aber alles in sich hineinfraß. Meiner Ansicht nach
war das der eigentliche Grund für seinen Infarkt, von dem er sich aber Gott sei
Dank wieder erholt hatte. Vor allem hatte er gelernt, ihr mehr Kontra zu geben
und sich nicht mehr von ihr herum kommandieren zu lassen.
Ich würde mich mit ihr befassen, wenn
sie tatsächlich käme (wunderte mich ohnehin, bis jetzt so gar nichts von meinen
Eltern zu hören und war trotz allem gekränkt), aber jetzt freute ich mich erst
mal über den Besuch von Sabine.
" Was macht Mister Traumprinz,
besucht er dich oft genug? Und wie geht er damit um, dass du völlig außer
Gefecht gesetzt hier herum liegen musst und dich nur eingeschränkt ausdrücken
kannst?" Sabine klang ehrlich interessiert, aber ich hörte auch ein leises
Misstrauen gegenüber Mark heraus. Sie hatte nie einen Hehl draus gemacht, dass
ihrer Meinung nach kein Mann derart perfekt sein konnte wie er: Aussehend wie ein Filmstar, ein exzellenter
gut verdienender Anwalt, eloquent, ein Frauenschwarm und noch
beziehungstauglich, das war in ihren Augen einfach zu
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