ZITRONENLIMONADE (German Edition)
durchgestanden. Davon muss sich ihr Körper erst
mal erholen. Haben Sie Geduld, Frau Salten."
Ich konnte das Wort „Geduld“ nicht mehr
hören, Das war ein Charakterzug, den ich noch nie besessen hatte. Ich wollte
immer alles, und zwar sofort. Es war für mich unmöglich, zu begreifen, dass ich
einer Situation ausgeliefert war, bei der die Zeit mein bester Verbündeter sein
sollte. Die Ärzte sprachen von Jahren,
die meine Genesung andauern würde. Ich lachte sie im Stillen dafür aus. Die
kannten Christina Salten nicht!
Insgeheim setzte ich mir ein Limit:
Jetzt war es Januar. Spätestens im Mai - zu meinem einunddreißigsten Geburtstag
- würde ich wieder ganz die frühere Christina sein, mein Leben in die Hand
nehmen und mein jetziger Zustand würde mir dann wie ein böser Alptraum vorkommen.
Momentan kam ich mir vor wie ein Alien,
der versehentlich in der falschen Welt gelandet war, wenn mich die Schwestern
morgens wuschen, meine Infusion austauschten oder ich wieder mal vergeblich
versuchte, mein rechtes Bein, das völlig gefühllos an mir dran hing, durch
bloße Willenskraft auch nur einen Millimeter zu bewegen. Dann stand ich kurz
davor, mit einem Schreikrampf meinen Frust abzubauen. Stattdessen stellte ich
mir vor, wie ich in meinem Bett neben Mark aufwachte und froh sein würde, dass
alles nur ein übler Traum gewesen war.
Trotz alledem dachte ich nicht daran,
mich von depressiven Gefühlen überwältigen zu lassen. Seit der Operation hatte
ich noch niemals geweint oder mich richtig gehen lassen und darauf war ich
insgeheim stolz.
Wenigstens meine Reaktionen und Gefühle
hatte ich unter Kontrolle!
Kapitel Fünf
Nach zehn Tagen wurde ich von der
Intensiv- auf die neurologische Station verlegt. Obwohl ich immer noch ein
Pflegefall war, lag ich jetzt in einem normalen Krankenhauszimmer ohne
Überwachungsapparate und ohne Schläuche in meinem Körper. Immer noch konnte ich
nicht mal die Toilette benutzen, sondern war auf die Bettpfanne angewiesen.
Aber immer noch besser als ein Katheder.
Sei dankbar für Kleinigkeiten, dachte
ich sarkastisch, wenn es mal wieder so weit war. Nie zuvor wäre ich auf die
Idee gekommen, dass die Benutzung einer Bettpfanne eine Verbesserung darstellen
könnte!
Ich musste nun auch nicht mehr die
gesamte Zeit im Bett verbringen: In meinen Physiotherapiestunden wurde ich
„mobilisiert“. Es begann damit, dass ich mich am Bettrand aufsetzen durfte.
Klingt in der Praxis völlig unspektakulär, war aber für mich extrem anstrengend. Zuerst wurde das Kopfteil meines
Bettes hochgefahren in die Sitzposition. Schon da spielte mein Kreislauf momentan
verrückt, alles um mich herum drehte sich und im Magen verspürte ich Übelkeit.
Karina wartete einen Moment ab, bis ich mich etwas besser fühlte, dann half sie
mir, mein rechtes gelähmtes Bein über den Bettrand hinaus zu hängen. Ganz
automatisch wollte ich mich aufsetzen und meinen linken Fuß ebenfalls raus
stellen. Und bevor ich mich versah, kippte ich rechts wieder nach hinten weg!
Mir fehlten die Kraft und die Spannung
in der rechten Körperseite völlig, sodass ich beim ersten Versuch nicht mal in
der Lage war, überhaupt allein hoch zu kommen. Mein verdutzter Blick, als ich
ziemlich schief wieder auf meinem Kopfkissen landete, sprach Bände. Karina
lachte. "Immer schön langsam mit
den jungen Pferden! So schnell geht’s nicht, sonst wäre ich ja überflüssig!“
Über die Klingel rief sie eine
Schwester herbei, beide packten mich unter den Achseln und zogen mich hoch an
den Bettrand. Sie ließen mich nicht los, sonst wäre ich gleich wieder
umgekippt. Da saß ich nun, wie ein kleines Kind gestützt von zwei Personen, zum
ersten Mal seit zehn Tagen aufrecht und konnte zum Fenster hinaus sehen.
Drei Stockwerke unter mir befand sich
ein Park mit einem kleinen Teich. Das Wetter war an diesem Tag mies: kühl, grau
und regnerisch, deshalb sah man auch keinen Menschen da unten spazieren gehen.
Die Bänke am Ufer standen ebenso wie die noch kahlen Bäume leer und irgendwie
verloren herum und ein einsames Entenpaar zog seine Kreise im trüben Wasser.
Mir war immer noch übel und entsetzlich schwindelig. Ich fühlte mich gleichzeitig
stolz, hier zu sitzen und verzweifelt, weil ich gezwungen war,
selbstverständliche Dinge völlig neu zu lernen und hart dafür zu arbeiten.
Das Schwierigste war für mich, mich
frei in der Sitzposition zu halten. Sie glauben ja gar nicht, wie sehr man zum
einfachen Sitzen
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