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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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Ach und Schwester, wenn sie so gut sein
könnten, mir etwas Wasser einzuschenken, ich muss dringend etwas trinken.“ Die
Wasserflasche und das Glas standen keinen Meter von ihr entfernt auf ihrem
Nachtkästchen.
    Das war ja wie in einem Krimi!   Noch eine falsche Bemerkung, Häschen, und du
bist tot! Äußerlich unbeteiligt, aber gespannt wie ein Flitzebogen, wartete ich
auf die Reaktion der resoluten Stationsschwester. Rita trat näher an das Bett
der bedauernswerten Kranken. Betont ruhig und leise fragte sie ungläubig: „ Sie
wollen, dass ich Ihnen einschenke?“ Die Lehner ahnte nichts von der Gefahr, in
der sie schwebte und nickte eifrig. „ Ja bitte, aber nur   halbvoll.“ Rita holte tief Luft, dann legte
sie los:
    „ Jetzt passen Sie mal gut auf. Wir
haben hier auf der Station Patienten, die sich fast überhaupt nicht bewegen können
und dennoch stolz auf jede kleinste Kleinigkeit   sind, die sie selbst erledigen können. Fragen Sie mal Frau Salten, ob
die sich ihr Wasser von uns einschenken lässt. Und danken Sie dem lieben Gott
dafür, dass Sie in der Lage sind, jederzeit aufstehen und herumlaufen zu
können. Wir versorgen Sie mit allem, was Sie hier benötigen, aber wir pampern
keine Patienten. Dazu haben wir nicht genügend Personal.“ Damit drehte sie der „Schwerkranken“
den Rücken zu und fragte mich betont freundlich, ob ich etwas bräuchte. Ich
lächelte sie verschwörerisch an, während ich verneinte und zeigte ihr mit der
linken Hand verstohlen das Victory-Zeichen. Sie verkniff sich mühsam ein
Grinsen, während sie hinaus rauschte.
     
      Die nächsten Tage zusammen mit dem Häschen,
die übrigens Melli hieß ( „Melissa, um genau zu sein, aber alle nennen mich
Melli“) wurden turbulent, brachten aber erhebliche Abwechslung in meinen bisher
gleichförmigen Alltag, vor allem aber auch in den der Ärzte und
Krankenschwestern. Melli blieb erstaunlich unbeeindruckt von Ritas Tirade. Sie
sah ihr lediglich erstaunt hinterher und fragte mich ungläubig:
      „ Wie ist die denn drauf? Die ist doch hier
Krankenschwester, also muss sie sich doch um mich kümmern??“
    In den folgenden Tagen versuchte sie
ständig, ihre diesbezüglichen Ansprüche durchzusetzen. Ich war fasziniert vom
Einfallsreichtum der Schwestern und Pfleger, die ja nach außen hin immer
freundlich und gelassen bleiben mussten. Melli klingelte wegen jedem Sch……, und
zwar drückte sie mit den Daumen immer gleich mehrmals hektisch auf den Schalter
des Patientennotrufs, ob sie nun Hilfe beim Anziehen benötigte, Kopfschmerzen
hatte, Durst, Hunger oder ähnliches. Aber das Personal ließ sich irrsinnig viel
Zeit, bevor es bei ihr zum Nachsehen kam und wenn dann doch jemand erschien, tat
der- oder diejenige völlig abgehetzt und entschuldigte sich erst mal wortreich
mit einem Notfall in einem anderen Zimmer, einer wichtigen Besprechung mit dem
Arzt oder zu wenig Personal auf der Station. Melli war zu blöde, um zu
bemerken, dass in den äußerst seltenen Fällen, wenn ich klingelte, sofort
jemand auf der Matte stand( ich drückte nämlich immer nur einmal ganz kurz auf
den Knopf..) Zudem wurde sie vielen Untersuchungen unterzogen, sodass sie wenig
bei mir im Zimmer war. Mir graute immer vor ihrer Rückkehr, da sie mir dann
schaurige Beschreibungen über die Art ihrer Untersuchung lieferte und so gab
ich meist vor, zu schlafen, wenn ich an ihren schlurfenden Schritten hörte,
dass sie wieder kam.
     
      Am ersten Abend wurde sie von ihrem Freund
besucht. Ich wunderte mich echt, wie die zu einem Freund kam, da sie doch alles
so anstrengte…..Aber der junge Mann war einer von der selbstlosen Sorte, der
gleiche aufopfernde Typ Mensch wie die Mutter und voll des Mitleids mit seiner
armen Freundin, der es so schlecht ging. Er war ein schmächtiger, unscheinbarer
Zeitgenosse und sprach ganz leise und fürsorglich mit ihr. Mama und er hatten
erheblichen Anteil daran, dass Melli ihre Umwelt derart terrorisieren konnte! Ein
Hypochonder braucht sein Publikum, ähnlich wie ein Schauspieler.   Der eine lebt vom Selbstmitleid, aber mehr
noch vom Mitleid, der andere vom Beifall. Auf sich allein gestellt würden beide
eingehen wie Primeln. Um ungestört mit dem jungen Mann reden zu können, war
Melli sogar imstande, ihr Bett zu verlassen und mit ihm nach draußen auf den
Gang in die Besuchernische zu gehen.
     
    Ich freute mich über eine weitere halbe
melli-freie Stunde. Mark erschien – wie ich erwartet hatte – heute gar nicht.

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