ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Wahrscheinlich
wartete er auf einen Anruf von mir, immerhin hatte ich ja jetzt Telefon. Aber
ich verspürte keine Lust, mit ihm zu reden, ich war immer noch sauer auf ihn
und sein gestriges Verhalten. Sollte er
selbst entscheiden, wann er mich wieder sehen wollte…
Am darauf folgenden Tag, einem
Donnerstag, begann mich meine Zimmergenossin zusehends zu nerven. Sie besaß
doch tatsächlich die Frechheit, sich ausgerechnet bei Schwester Mirjana darüber
zu beschweren, dass es in diesem Zimmer ständig zu kalt sei, da den ganzen Tag das Fenster gekippt war. „
Davon bekomme ich Blasenentzündung. Bitte bringen Sie mir doch noch eine
Bettdecke, “ nörgelte sie. Mirjana
erklärte ihr geduldig, sie habe keine Decke übrig, da die gesamte Station voll
belegt sei. Und ich blieb gnadenlos, was das gekippte Fenster anging. Ich war
ein Frischluftfanatiker und vor allem nachts brauchte ich es kühl, außerdem war
ich zuerst da gewesen, jawohl! Da sie aber ununterbrochen weiterjammerte, ihr
sei kalt, ließ ich sie irgendwann nachmittags das Fenster doch schließen.
Abends wartete ich ab, bis Melli-Häschen ihre obligatorische Schlaftablette
geschluckt hatte und kurz darauf im Tiefschlaf leise vor sich hin schnarchte.
Dann holte ich die Nachtschwester, die mir das Fenster mit einem Augenzwinkern
leise wieder in Kippstellung brachte.
Einen Tag später hatte der Spuk sein
Ende: Melli wurde – völlig gegen ihren Willen – schon morgens um halb acht von
Frau Dr. Amendt entlassen! Fassungslos musste sie erfahren, dass sämtliche
Untersuchungen bei ihr ohne jeden Befund waren und sie kerngesund war – „ bis
auf ihr starkes Übergewicht, Frau Lehner, da sollten sie was dagegen tun.“
endete die Ärztin. Hörte ich da einen genüsslichen Unterton heraus? Melli war
völlig fertig und rief entsetzt ihre Mama an, um sie sofort herzubeordern und
ihr gleichzeitig ihr Leid über diese unfähigen Idioten hier im Krankenhaus zu
klagen. Bis ihre leidgeprüfte Mutter eintraf, beschwerte sie sich bei mir
bitter, dass die Ärzte allesamt unfähig seien, eine schwere Krankheit zu
„diaphragisieren“.
Eine halbe Stunde später, nachdem die
eilends herbei geeilte Mama ihr wieder pflichtbewusst beim Anziehen geholfen,
alles eingepackt und mit ihrer hysterischen
Tochter das Krankenhaus verlassen hatte, war ich allein im Zimmer und genoss erst mal die
himmlische Ruhe. Ich sinnierte darüber nach, wie ungerecht die Welt doch war. Ich
würde mindestens fünf Jahre lang (oder sagen wir vielleicht lieber drei oder
zwei - was wäre das denn sonst für ein Leben?) auf neue Klamotten verzichten,
wenn ich dafür dieses Krankenhaus in gesundem Zustand verlassen dürfte. Melli
war kerngesund und würde alles darum geben, eine lebensbedrohliche Krankheit zu
haben. Manche Leute haben Bretter vor dem Kopf, die ihnen die Welt bedeuten!
Meine philosophischen Gedankengänge
waren mir nicht lange vergönnt, denn Karina betrat, mein Lieblingsgefährt vor
sich herschiebend, lächelnd den Raum.
„ Morgen, Christina. Heute habe ich mir
für Sie etwas Besonderes ausgedacht.“ Mit diesen Worten rückte sie den
Rollstuhl an meine Seite. „ Aber erst mal setzen Sie sich bitte in den Stuhl
hinein.“ Wir mussten beide lachen, denn von selbst hinein setzen konnte bei mir
nicht die Rede sein. Aber immerhin schafften wir es seit ein paar Tagen schon
zu zweit, mich da rein zu bringen. Dazu musste ich am Bettrand aufsitzen –
natürlich auch noch mit Karinas Unterstützung; zuerst zog sie mir meine Basketballstiefel
über meine Socken, dann half sie mir beim Aufsetzen am Bettrand, sie hielt mich
an der rechten Schulter fest und fuhr das Bett so weit runter, dass meine Füße Bodenkontakt
hatten. Sie stellte sich vor mir auf, ging in die Knie, ich beugte mich soweit
es geht, nach vorne, bis ich fast das Übergewicht bekam und legte ihr meine
Arme um ihren Hals. Muss für einen Außenstehenden ein völlig falsches Bild
abgeben, dachte ich mir!
Sie ergriff mich fest um die Taille,
ich versuchte, mich zumindest auf meinem linken Bein nach oben zu drücken, sie
zog mit und dann stand ich, nein, hing an ihr dran. Ganz langsam drehten wir
beide uns nun in einem grotesken Zeitlupentanz, ich nur links, während der
rechte Fuß leblos hinterher schleifte, bis ich direkt mit dem Rücken zur
Sitzfläche des Rollstuhles stand, dann ging sie wieder in die Knie und ließ
mich ganz langsam in den Stuhl ab. Das kostete sie Kraft, denn ich konnte
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