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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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in Sichtweite erschienen, dass es sich hierbei um einen
Faschingsumzug handelte!   Das erste Wort,
was mir in den Sinn kam, war nicht jugendfrei. Natürlich, heute war
Rosenmontag! Ja du grüne Neune, hatten die mich glatt überlistet, einem
Faschingsumzug als Zuschauerin beizuwohnen…Und das mir, dem weltgrößten
Faschingsmuffel überhaupt. Verzeiht, ihr Kölner und Mainzer und alle anderen
Fasnachtsfans; aber mit dieser datumsmäßig verordneten Fröhlichkeit und
Verkleidungswut hatte ich rein gar nix am Hut!
    Hilfe, ich wollte hier ganz schnell
weg, bevor die näher kommen konnten. Schon hörte ich ihre Rufe, so ähnlich wie
"Hallihallo!" Sollte das nicht "Helau" heißen? Aber nein,
wir befanden uns hier in Württemberg bei der Fasnet, da hieß es, wie ich später
erfuhr,   "Narrinarro!" War mir
auch ziemlich scheißegal, was diese Irren, Verzeihung: Narren, von sich gaben.
Sekundenlang gab ich mich dem schönen Tagtraum hin, dass mein Mark als
sprichwörtlicher Retter auf dem weißen Pferd herbei reiten und mich davor
bewahren würde, diesem Wahnsinn beizuwohnen. Er ritt natürlich nicht wirklich,
aber ich stellte mir vor, wie er jetzt in diesem Moment von lauter Sehnsucht
nach mir überwältigt mit seinem   Porsche zur
Klinik gefahren kam, mich hier eingepfercht zwischen all den anderen Lädierten
der Frühreha stehen sah, schnurstracks die Bremse meines Stuhles löste und mich
erlöste. Rasch schob er mich aus der "Gefahrenzone", weit weg von
allem Faschingstreiben und wir freuten uns, diesem Quatsch entronnen zu sein!
     
    Seit wir uns kannten, hatten wir zwei
zusammen uns sämtlichem Faschingstrubel konsequent verweigert. Wir guckten
niemals Prunksitzungen, mieden entsprechende Umzüge   und besuchten keinerlei Faschingsveranstaltungen.
Stattdessen arbeiteten wir an den tollen Tagen oder verbrachten unsere Freizeit
in unserer Wohnung mit faulen Vormittagen und Champagnerfrühstück im Bett. Apropos
Champagnerfrühstück: Vor meinem geistigen Auge beugte sich Mark in unserem
Kingsizebett verführerisch zu mir herab und…
    Als die ersten Wagen des Umzuges das
Klinikgebäude erreicht hatten, wurde ich unsanft aus meinem erotischen
Wunschtraum   gerissen. Ein sich besonders
witzig vorkommender Wageninsasse in einem Harlekinkostüm mit weiß geschminktem
Gesicht und   aufgemaltem Grinsemund (sah total
abartig aus, der Kerl) warf mir eine Kusshand zu und gleichzeitig einen Haufen
bunter Bonbons beinahe ins Gesicht. Sie prallten von meiner Brust ab und fielen
mir direkt in den Schoß. Ich war stark versucht, die Bonbons schnurstracks
zurück in seine blöde Visage zu feuern.
    Der Versuch scheiterte daran, dass
schon der nächste Wagen auf meiner Höhe war.
    Der Lärm war ohrenbetäubend und das
ganze Szenario völlig grotesk: Die Bewohner der Frühreha standen als
geschlossene Gruppe am Rande der übrigen Zuschauer. Viele Rollstuhlinsassen
hatten ihren leeren Blick aufgesetzt oder sie wirkten ob des ungewohnten Spektakels
beinahe panisch und krochen in ihren Stühlen zusammen, schlangen die Arme um
sich und machten sich quasi "unsichtbar". Nur einige wenige lachten
breit übers ganze Gesicht oder kreischten laut, ohne wirklich zu kapieren, was
hier abging.
     
    Lediglich die Schwestern und Pfleger
genossen die Abwechslung ihres eintönigen Tagesablaufes sichtlich, schunkelten
im Takt der schrägen Guggenmusik (für Nichtschwaben: Alle möglichen Musikstücke
werden von seltsam bunt angezogenen Musikern total schräg und disharmonisch
klingend mit Blechblasinstrumenten und Schlagzeug vergewaltigt)   und winkten den Umzugsmitwirkenden
enthusiastisch zu.
    Bei denen sah ich trotz ihrer Masken
und unter der Schminke teilweise die Gesichtszüge entgleisen, als sie unser jämmerliches
Grüppchen erreichten. Aber sie beherrschten sich tapfer und rangen sich weiter
zu Fröhlichkeit und lustigem Bonbonwerfen durch.
    Ich schaltete innerlich ab. Hoffentlich
waren die bald alle vorbei, dass ich wieder in mein Zimmer verschwinden und den
ganzen Fasching ausblenden durfte. Leider wurde daraus nichts. Eine unserer
Schwestern raunte mir verschwörerisch zu, dass sie den Umzug extra wegen der
Klinik bis hierher ausdehnten, ein Stück weiter die Straße hoch umkehrten und
dann nochmals vorbei kämen…Na prima, das Ganze auch noch in Stereo!
    Aber wenn ich ganz ehrlich zu mir war,
rührte meine extreme Abscheu vor diesem Umzug auch daher, dass ich schlicht und
einfach Neid auf die Mitwirkenden verspürte. Die konnten

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