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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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würde!
    Als ich meine Verteidigungsstrategie
für den Ernstfall festgelegt hatte, ließ ich Angelina und Brad ihre Mission
allein fortsetzen und begab mich mittels Haustelefon und Chauffeur erleichtert
in mein Bett. Natürlich hielt ich Michael gegenüber, der es gut mit mir gemeint
hatte, den Mund über meine wahren Beweggründe, den Film nicht bis zum Ende
anzusehen. Ich erklärte ihm nur, ich wäre todmüde und mir täte vom Sitzen alles
weh.
    Und weil ich mich ihm gegenüber dankbar
für meinen Ausflug zeigte, beendete er noch an diesem Abend mein Gefühl des
Eingesperrtseins in der Frühreha, indem er, als wir an der wie immer
automatisch verriegelten Tür zur Station angelangt waren, links in das dort befindliche
Kästchen auf meiner Augenhöhe den Code eingab, den er mir auf einen Zettel
schrieb. "So können Sie jederzeit rein und raus, wenn Ihnen danach ist,
mal zum Kiosk oder wenn Sie mehr Kraft zum Selberfahren haben, an die frische
Luft!"   Ich kam mir vor, als hätte
ich eben den Zugangscode zum Pentagon erhalten.   Wieder ein Stück mehr Selbstständigkeit! Genau die Aufheiterung, die ich
nach diesem Filmflop gebraucht hatte!
     
    Je mehr Zeit ich in der Frühreha verbrachte,
desto klarer wurde mir, dass ich hier der sprichwörtliche einäugige König unter
den `Blinden` war. Ich konnte sprechen, meinen rechten Arm und die Hand, wenn
auch stark eingeschränkt, bewegen, war geistig fit und genoss im Gegensatz zu
meinen Mitinsassen alle möglichen Freiheiten.
      Ich durfte mich auf meinem Zimmer aufhalten,
solange ich Lust dazu hatte, konnte jederzeit die Station verlassen und war in
jeder Therapiestunde die Beste von allen, was geistige und körperliche Fähigkeiten
anging. Von halb elf bis halb zwölf kam jeweils ein Assistenzarzt und spielte
mit den Patienten, die gerade keine Therapien hatten und wenigstens halbwegs
geistig da waren, Memory im Aufenthaltsbereich. Auch hier wäre ich der
unangefochtene König gewesen, hätte ich meine Überlegenheit ausgespielt. Obwohl
ich früher bei diesem Spiel nie mit besonderer Merkfähigkeit geglänzt hatte,
hätte ich hier alles abräumen können. Einfach deswegen, weil mir etwas früher
als den anderen dämmerte, wo ich schon mal eine passende Karte liegen sah.
    Meinen Mitspielern fiel es furchtbar
schwer, sich auch nur ganz einfache Sachverhalte und Dinge längere Zeit zu
merken, deswegen diese Übung. Der Arzt spielte mit, beobachtete und registrierte
derweil die jeweiligen Defizite oder Fortschritte.
    Manchmal half er auch unauffällig, so
dass diejenigen, die dann einen Treffer landeten, übers ganze Gesicht strahlten.
Beim ersten Mal wurde ich wegen zu wenig Mitspielern gebeten, mich zu
beteiligen.
    Dr. Solmann zwinkerte mir anerkennend
zu, als er mitbekam, dass ich den anderen zuliebe mogelte und so tat, als könne
ich mir die Karten nicht merken. Seitdem durfte ich immer dabei sein. Ich
beteiligte mich deshalb, um meine rechte Hand zu trainieren. Denn mittlerweile
war ich der Lage, mit Daumen und Zeigefinger die Karten zu ergreifen   - Pinzettengriff, die schwierige Variante   - und umzudrehen, wenn auch noch
schwerfällig!   Aber hier in dieser Runde
fiel das außer dem Arzt niemandem auf und der fand meine Fortschritte und mein
Engagement gut.
    Kurz gesagt, ich fühlte mich hier von
allen Seiten unterstützt und ermutigt. Nie hätte ich bei meiner Ankunft
geglaubt, dass mein Aufenthalt gerade auf dieser Station zu derartigen
Wohlgefühlen führen würde!
     
    Und weil ich insgesamt gut drauf war
und unterstützt wurde, machte ich in jeder Beziehung erstaunlich rasche Fortschritte:
Durch die tägliche Ergotherapie konnte ich meinen rechten Arm immer höher und
auch immer länger hoch heben. Die Feinmotorik meiner Hand steigerte sich. Durch
die ständigen Fingerübungen in der Ergotherapie-Stunde und auch, weil ich in
meiner freien Zeit ständig versuchte, die Finger einzeln und unabhängig voneinander
zu bewegen, klappte dies immer besser.
    Bei meinem Therapiespielzeug, dem
Verschlüsse-Buch, war ich Meister im Verbinden von zwei Stoffen geworden. Mich
schreckte mittlerweile keine Seite davon mehr ab, sogar die Schleifen bekam ich
hin, wenn auch oft noch mit erheblichem Zeitaufwand.  
    Ich war fähig, auf einem Din-A-4 Block
im Querformat wie ein Erstklässler bereits drei bis vier große Ziffern oder
Buchstaben malen. Nur das Gefühl in Arm und Hand war noch nicht voll da. Ich
spürte Berührungen komischerweise oft an einer anderen Stelle als

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