ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Vor allem konnte ich jetzt lebhaft
nachvollziehen, warum Dennis als Kleinkind oft Saft oder Milch verschüttet hatte
oder Dinge, die er in der Hand hielt, unvermittelt fallen ließ! Das Gehirn muss
alles lernen. Was folgerte ich daraus? Zumindest meine rechte Hand befand sich
bewegungstechnisch gesehen auf dem Stand eines Zweijährigen…Als ich meine
Gedankengänge Papa erklärte, erwidert er ernst: "Ja, aber denk mal dran,
auf welchem bewegungstechnischen Stand du dich noch vor vier Wochen befunden
hast!" Erstaunt konstatierte ich, wie recht er hatte. Wie immer kapiert´s
der, den es betrifft, als Letzter! War
meine Ergotherapie doch von Erfolg gekrönt!
Die besuchte ich dreimal pro Woche, bei
einem sehr engagierten jungen Mann namens Gerald. Er war beim ersten Mal
regelrecht begeistert, eine Patientin zu bekommen, die in der Lage war, ihren
Arm und ihre Hand wenigstens etwas zu bewegen.
Wie ich hier bei den meisten meiner
Mitpatienten mit Schlaganfall festgestellt hatte, war ihr Zustand genau umgekehrt
wie bei mir: Viele konnten ihr betroffenes Bein bewegen, oft schon sehr bald
wieder laufen, aber der Arm und die Hand hingen völlig leblos und schlaff
herunter.
Im Rollstuhl sah das so aus, dass Arm
und Hand, oft zur Faust geballt, immer völlig ruhig auf dem Schoß ruhten und
nur mittels des gesunden Arms hochgehoben und abgelegt werden konnten.
Wenn ich so drüber nachdachte, erschien
es mir insgesamt besser, meinen rechten Arm und die Hand, wenn auch
eingeschränkt, wieder benutzen zu können. Überlegen Sie nur mal, zu welchen
Tätigkeiten man beide Arme und Hände benutzt! Stopp, an die unanständigen Dinge
hatte ich ausnahmsweise wirklich nicht gedacht! Für diejenigen, die vermutlich
dauerhaft auf eine Seite angewiesen sind, gab es - so hatte ich von Gerald
gehört - sogenanntes Einhand-Haushaltstraining und auch diverse Hilfsmittel.
Ich erkundigte mich nach Details.
" Tja, wenn Sie z.B. ein Hemd einhändig bügeln müssen, dann legen Sie
dieses Teil für Teil auf das Bügelbrett und fixieren es mit Stecknadeln, damit
es nicht verrutschen kann. Beim Bettenüberziehen gibt es ebenfalls Tricks.
Wollen Sie Kartoffelschälen, gibt es dafür ein Brettchen mit Nägeln bestückt,
so ähnlich wie das Nagelbrett eines Fakirs, nur in klein. Darauf wird dann eine
Kartoffel nach der anderen gesteckt und man kann einhändig mit dem Schälmesser
die Schale abkratzen." Ich stellte mir eine halbseitig gelähmte Familienmutter
vor, die für eine vierköpfige Familie Pellkartoffeln schälen musste und
schauderte. Die müsste ja morgens um sechs anfangen, wenn das Essen bis mittags
fertig sein sollte! In dem Fall wäre dieses Nahrungsmittel vermutlich von meinem
Speiseplan gestrichen, da wäre ich gnadenlos!
Da meine rechte Seite zumindest
oberhalb der Hüfte zusehends besser wurde, blieben mir die Tricks der
Einhändigen erspart! Und als emanzipierte berufstätige Frau wusch und bügelte
ich meinem Liebsten selbstverständlich keine Hemden - Mark brachte seine zum
Waschen und Bügeln weg.
Meine Eltern warteten geduldig, bis ich
mit dem Essen fertig war. Mein Zimmer, in das wir uns danach begaben, lobten
sie als "schön groß und zweckmäßig". Die Schafe grasten wieder auf
dem Abhang vor meinem Fenster und Papa erklärte mir prompt, das bringe Glück:
"Schäflein zur Linken, das Glück wird Dir
winken!" zitierte er ein bekanntes Sprichwort.
Sie hatten mir zwei schicke neue
Jogginganzüge mitgebracht, dazu passende Lang- und Kurzarm - Shirts sowie
Sportjacken, die ich gleich anprobierte. Seit ich hier war, trug ich
abwechslungsweise meine zwei alten Sporthosen, die mir Mark von zuhause
mitgebracht hatte, von denen mir eine allerdings schon zu kurz geworden war,
und drei Sweatshirts, ebenfalls schon etwas älter. Langsam konnte ich das Zeug
nicht mehr sehen. Ich hatte auch schon mal probiert, in eine meiner Jeans zu
schlüpfen. Da diese aber sehr eng geschnitten waren, war es verdammt aufwändig,
da überhaupt rein zu kommen. Ging nur auf dem Bett liegend mit fürchterlichen
Verrenkungen.
Und nach einiger Zeit im Rollstuhl
wurde diese engsitzende Hose, auch wenn sie prima aussah, verdammt unbequem,
deshalb hatte ich Mama gebeten, mir Sportklamotten zu besorgen. Mama half mir
beim Anziehen, während Papa taktvoll erklärte, sich mal kurz im Kiosk umsehen
zu wollen. Ich setzte mich zuerst auf den Bettrand um, zog die Schuhe aus, zog
mir die Hosen halb hoch und legte mich dann hin, während ich
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