Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
Vom Netzwerk:
versuchte, den Po
so anzuheben, dass Mama sie mir vollends hochziehen konnte.
    Dann schlüpfte ich wieder in die Schuhe,
setzte ich mich in den Rollstuhl und fuhr zum Kleiderschrank, an dessen Tür ein
großer Spiegel angebracht war, um mich zu begutachten.  
     
    Wehmütig dachte ich dran, wie oft ich
in irgendwelchen Klamottenläden und Boutiquen ganze Wagenladungen voll Kleidung
in den Umkleidekabinen anprobiert hatte. Das ging ruckzuck, aus den eigenen
Sachen im Stehen raus - und in die neuen Sachen reinzuschlüpfen. Sich
anschließend im Spiegel zu überprüfen, evtl. noch die Freundin, wenn eine dabei
war, um Rat fragen, und dann rasch zu überlegen, was man nimmt. Tja, wenn ich
das in meinem jetzigen Zustand vorhätte, müsste a) der Laden und die Kabine
rollstuhlgerecht sein, b) ich die Möglichkeit haben, mich in dieser Kabine
irgendwo zum Stehen hochzuziehen, und c) das Geschäft verlängerte
Öffnungszeiten und Verkäuferinnen mit viel Geduld besitzen!
    Glücklicherweise passten die
mitgebrachten Sachen alle und trafen auch noch meinen Geschmack. Mama riss mich
aus meinen Erinnerungen an glückliche Shopping-Zeiten.
    "Christina, möchtest du vielleicht
ein wenig nach draußen? Es ist heute nicht so kalt und wir würden dich ein
bisschen im Klinikpark spazieren fahren. Wir könnten bis hinunter ans Seeufer
laufen."
    Das gab den Ausschlag. Obwohl die
Klinik direkt an den Bodensee grenzte, konnte ich das Ufer von der Frühreha aus
nicht sehen und ins Freie war ich außer beim Faschingsumzug auch noch nicht
gekommen. Die Vorstellung, mich von meinen Eltern wie ein Kleinkind   im Wagen herum fahren zu lassen, widerstrebte
mir zwar heftig, war mir aber immer noch sympathischer als der Gedanke, dass
mich Mark herumschieben würde. Mama packte mich mit den obligatorischen Decken
über dem Schoß und meiner dicken Steppjacke warm ein. Sie schlang mir noch
einen gestrickten Schal um den Hals, dann starteten wir.
     
    Irgendwie war das alles völlig
verkehrte Welt: Eigentlich sollte ich mich um meine Eltern kümmern und nicht
schon wieder sie sich um mich!   Was für
ein Gefühl musste das sein, wenn man seine erwachsene, bis dahin völlig autarke
Tochter plötzlich wieder wie ein Kind behandeln und im Wagen pardon: Rollstuhl
spazieren fahren musste? Spontan platzte ich mit dieser Frage heraus, gerade
als wir den Haupteingang nach draußen passierten.
    Mama zögerte nicht eine Sekunde mit der
Antwort. "Überhaupt nicht schlimm, wenn ich mir die anderen Patienten auf
deiner Station so anschaue. Ich bin mir sicher, dass du diesen Stuhl irgendwann
wieder in die Ecke stellen und selber laufen wirst." Mein Vater nickte
zustimmend." Man sieht schon jetzt deutlich deine Fortschritte gegenüber
der Zeit, als wir bei dir im Krankenhaus waren."
    Mir wurde warm uns Herz. Das war genau
die richtige Antwort. Und an diese Aussage klammerte ich mich auch während des
Spazierganges. Meine Eltern schlugen mit meinem Einverständnis den Weg zum
naheliegenden Ort ein, wo sie mit mir an der Uferpromenade entlang spazieren
wollten. Und obwohl man eigentlich denken sollte, dass die dortigen Einwohner
Rollstuhlfahrer aufgrund der nahegelegenen Klinik gewohnt sein müssten, hatte
ich wieder das Gefühl, dass mich alle anstarrten. Klar, ich hatte nicht das
übliche Durchschnittsalter eines Rollifahrers, aber es gab doch noch mehr junge
behinderte Leute, oder? Vielleicht lag es auch daran, dass ich mich geschminkt
hatte. Passte nicht ins Klischee, Behinderte sehen verhärmt und depressiv aus
und haben keinen roten Lippenstift aufgelegt. Wahrscheinlich dachten die alle
genauso wie ich vorhin: Nämlich, dass eher ich eines meiner Elternteile
schieben sollte…Ich richtete mich im Stuhl auf und sah allen, die mir
entgegenkommen, betont freundlich in die Augen. Manche lächelten mich darauf
an, andere senkten schnell den Blick.
      Am
liebsten hätte ich ein großes Schild in der Hand gehalten, auf dem geschrieben
stand: Hallo, ich sitze nur vorübergehend hier drin! Obwohl ich mir in meinem
tiefsten Inneren dessen ganz und gar nicht so sicher war…
    Aber ich fühlte mich dennoch unwohl;
das war nicht wirklich ich, die sich wie ein altes gebrechliches Mütterchen
schieben ließ und den rechten Fuß auf der Fußstütze fixiert hatte. Der hatte
nämlich die dumme Angewohnheit, manchmal einfach so herunter zu rutschen und da
ich ihn nicht bewusst bewegen konnte, war es besser, ihn mit einem Klettband an
Ort und Stelle zu halten. Mein linkes

Weitere Kostenlose Bücher