ZITRONENLIMONADE (German Edition)
demotivierende Weise tun? Ich hätte mich am
liebsten den ganzen Nachmittag an diesen zwei Barren auf -und ab gehangelt,
völlig egal, wie, nur um endlich aus diesem Rollstuhl für ein paar Stunden raus
zu kommen. Aber wie gesagt, nach zwanzig Minuten war die "Stunde"
vorbei und ich rollte wieder nach draußen. Peter konnte mich mal kreuzweise! Genervt fuhr ich mit dem Aufzug hoch zur
"Rennbahn". Jetzt erst recht! Aber
das Geländer war um diese Zeit völlig überlaufen, da standen schon vier
Rollstuhlfahrer an, um sich rundherum zu schleppen.
Mein
Bewegungsdrang wurde immer größer, je länger ich hier war. Ich wollte mich
endlich mal wieder körperlich austoben, ins Schwitzen kommen. Durch Peter hatte
ich in Erfahrung gebracht, dass es hier einen Fitnessraum mit Trainingsgeräten
gab, ich aber für diesen - seiner Meinung nach - noch lange nicht geeignet war.
Meine rechte Seite wäre immer noch zu schwach, ich würde an den Geräten mit der
gesunden Seite "überkompensieren". Und außerdem, so spielte er seinen
letzten Trumpf aus, dürften dort nur Patienten hin, die nach Einweisung allein
an den Geräten klar kämen. Ich hätte ihn erwürgen können! Er wusste genau, dass
ich vom Rollstuhl aus alleine auf keines dieser Folterteile rauf käme! Mit
Franzi als Coach würde ich schon lange auf so einem Ding drauf sitzen, darauf
wettete ich! Verflixt nochmal, wie konnte ich meine Muskeln kräftigen, wenn ich
keine Gelegenheit dazu bekam? Peter enormes Einfühlungsvermögen zeigte sich
erneut, als ich ihn eines Tages fragte, was denn der Terminpunkt
"Rehatechnik" in meinem Wochentherapieplan bedeutete.
"Sie
bekommen einen eigenen Rollstuhl angepasst, den Sie dann zuhause benutzen
können", beschied er mir mit ernstem Blick. Ich guckte wohl ziemlich
verwirrt, denn er setzte nach: "Sie brauchen doch eine
Fortbewegungsmöglichkeit!"
Ja, ganz klar, der wollte mich verarschen,
oder? Ich war doch hier in der Reha, um genau aus diesem Stuhl heraus zu
kommen. Und überhaupt, was fiel denen ein, über die Köpfe ihrer Patienten
hinweg solche Termine anzusetzen?
"Aber
ich komme mit einem Rollstuhl nicht klar, wir haben keine behindertengerechte
Wohnung. Ich muss hier laufen lernen und werde für den Anfang einen
Gehwagen nehmen", beharrte ich
starrsinnig. Immerhin war ich ja noch einige Wochen hier und würde diese Klinik
aufrecht gehend und nicht sitzend verlassen! Peter bewies eine Engelsgeduld mit
mir begriffsstutziger, widerspenstiger Patientin und ich kam nicht umhin, ihn
für seine grenzenlose Selbstbeherrschung (dafür, dass er bei seiner stoischen
Erwiderung nicht mal die Augen gen Himmel verdrehte) zu bewundern.
"Christine"
- allein dafür hätte ich ihn schon schlagen mögen - " verstehen Sie doch
endlich, dass es mit dem Laufen nicht so schnell gehen wird bei Ihnen. Sie
werden diesen Rollstuhl mindestens ein bis zwei Jahre brauchen, eventuell auch
noch länger. Jetzt sträuben Sie sich doch nicht dagegen. Ein Gehwagen ist bei
Ihnen - wie ich schon erklärt - habe, kontraproduktiv."
Ich
gelangte zu der ketzerischen Erkenntnis, dass nicht der Gehwagen, sondern Peter
für mich kontraproduktiv war.
Glücklicherweise
waren wir am Ende der Therapie-Einheit angelangt und so beherrschte ich mich
und steuerte meinen Stuhl nach einer kurzen kühlen Verabschiedungen Richtung
Ausgang. Mein Therapeut sah mich mittlerweile bestimmt genauso gern von hinten,
wie ich es bei ihm tat! Und ganz bestimmt nicht deswegen, weil wir beide so eine
schöne Rückenansicht besaßen….
Ein
oder zwei Jahre oder noch länger im Rollstuhl!
Für
diese Behauptung gehörte er standrechtlich erschossen. Keiner meiner sämtlichen
Ärzte hatte mir je zeitliche Angaben über die Dauer und das endgültige Ausmaß
meiner Behinderung gemacht, ganz im Gegenteil: Einige hatten mich ermutigt, mir
erklärt, angesichts meiner Jugend (danke, ich liebte es, mit stattlichen
Dreißig als jugendlich zu gelten) läge es durchaus im Bereich des Möglichen,
dass ich wieder vollkommen genesen würde. Genauere Voraussagen machte jedoch
wohlweislich keiner. Der einzige Haken dabei: Ich brauchte Geduld und
Selbstdisziplin. Aus diesem Grund war
ich ganz und gar nicht bereit, mich ausgerechnet vom dynamischen (oder sollte
ich lieber "damischen" sagen) Peter zeitlich festlegen zu lassen. Und
ich WOLLTE mir keinen Rollstuhl anpassen lassen. Ich würde mir gern
maßgeschneiderte Klamotten anpassen lassen, oder handgefertigte Schuhe, jawohl,
aber
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