ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Außen- und Innentreppen für mich unüberwindbare
Hindernisse darstellen würden.
Ich fasste es wieder mal nicht, wie
schwierig und anders mein Leben innerhalb kürzester Zeit geworden war.
Seufzend wandte ich mich Mark zu.
"Das Beste wird sein, du besuchst mich einfach an ein oder zwei Tagen, die
restlichen Tage bringe ich schon herum." Ich wollte von ihm nicht
verlangen, seine gesamten freien Ostertage bei mir zu verbringen, hoffte aber
insgeheim, er würde mir das selbstverständlich vorschlagen. Tat er leider
nicht! Er erklärte mir - sichtlich erleichtert, dass es nur zwei Tage waren,
die ich von ihm verlangte - er käme dann Ostersonntag und würde Montagabend
wieder zurück fahren. "Dann könnten dich deine Eltern ja vorher besuchen
kommen", schlug er vor.
An diesem Abend war ich deprimiert.
Wieder einmal fragte ich mich, warum ausgerechnet ich in so eine beschissene Lage
geraten musste und warum? Wieso durften alle meine Bekannten und Freunde ihr
Leben einfach so weiterführen wie gewohnt, nur ich nicht? Ich wünschte wirklich
niemandem etwas Böses, aber was um Himmels willen hatte ich angestellt, um mit
einer Gehirnblutung und Behinderung gestraft zu werden? Verstandesmäßig wusste
ich, dass dies nichts mit Bestrafung zu tun hatte. Und dennoch - ich war traurig
und gleichzeitig wütend über mein Schicksal. Wieder einmal erwies sich Sabine -
wie schon so oft - als Retterin in der Not: Wie nahezu jeden Abend rief sie
mich an, einfach um zu fragen, wie mein Tag verlaufen war.
"Hey, Chris, was ist los? Du klingst nicht besonders gut. Mark
war doch heute da, oder?", erkundigte sie sich besorgt, als ich mich lustlos meldete.
"Ja, er war da, sogar den ganzen
Nachmittag. Aber mir liegen die kommenden Osterfeiertage im Magen. Hier finden
vier Tage lang keine Therapien statt, viele Patienten, Therapeuten und Ärzte
fahren weg und mir graut vor der Langeweile. Meine Eltern und Mark haben zwar
ihren Besuch angekündigt, aber ich kann doch in diesem verflixten Rollstuhl
außer spazieren geschoben zu werden oder in irgendein Café zu sitzen nicht viel
unternehmen. Ich wäre froh, wenn diese Tage schon vorbei wären."
Sie lachte fröhlich. "Siehst du,
genau deswegen rufe ich an. Unser Familienrat hat beschlossen, dich zu uns zu
holen. Wir haben ein Haus, in dem du auch mit Rollstuhl wunderbar
zurechtkommst. Alles ebenerdig, nagelneues Gästezimmer mit Doppelbett und Bad
im Erdgeschoss. Ich habe eben mit Mark telefoniert, er holt dich am Karfreitag,
übernachten werdet ihr beide jeweils bei uns, Karsamstag machen wir alle was
zusammen und Sonntag und Montag kannst du tagsüber mit Mark zusammen sein,
Montagabend bringt er dich wieder in die Klinik.. Und hör auf, dir Ausreden
auszudenken, wir akzeptieren keine. Wir freuen uns auf dich!" Meine Laune
hob sich schlagartig. Obwohl ich ein schlechtes Gewissen hatte, Sabine diese
Arbeit aufzuhalsen.
"Aber wollt nicht ihr als Familie an
Ostern irgendwo hin fahren? Du musst dein Gästezimmer herrichten, die Betten
überziehen und hast uns beide auf der Pelle. Überleg dir das gut", warnte
ich sie.
"Habe ich schon. Ich lasse meine
Kinder putzen und Betten überziehen, die haben das selber angeboten, mach dir
um mich keine Gedanken! Wie gesagt, wir freuen uns auf dich. Sonntags besuchen
wir Freunde in Augsburg, während du mit Mark zusammen bist. Außerdem fahren wir
in der Woche darauf nach Hamburg und machen uns da ein paar schöne Tage. Also
brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben", zerstreute sie meine
letzten Skrupel. Okay, dem Himmel sei Dank für so eine Freundin und auch für
deren Familie! Jetzt durfte ich mich auch auf die Feiertage freuen!
Frau Wallner, der ich am kommenden Tag
von meinen neuen Osterplänen erzählte, freute sich mit mir. "Fein, dann
haben wir uns ja danach einiges zu erzählen!"
Meine Vorfreude half mir auch über die
Physiotherapie bei Peter hinweg. Heute ließ er mich zwar für eine Viertelstunde
am Laufbalken das Gehen üben, hatte aber ständig was auszusetzen.
"Rechtes Bein ab dem Knie nach vorne
fallen lassen, nicht in der Hüfte hochziehen! Nein, nein, so ist das komplett
verkehrt. Ich sagte es ja schon, Christine, Sie riskieren mit ihren
eigenmächtigen Gehversuchen am Geländer, sich eine völlig falsche Gangart
anzugewöhnen. Sie sollten diese Eskapaden bleiben lassen!"
Vollidiot!
Ich verstand ja, dass er mir das möglichst korrekte Laufen wieder beibringen
wollte, aber musste er das auf so
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