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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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KEINEN Rollstuhl!
     
    Jürgen,
ebenfalls Schlaganfallpatient (allerdings lag sein Schlaganfall schon drei
Jahre zurück; er lief, zwar hinkend aber völlig frei) begegnete mir unmittelbar
darauf im Warteraum der Physiotherapie. Wir hatten schon öfter miteinander
gesprochen, er war Mitte Dreißig und betrachtete seinen alljährlichen
dreiwöchigen Aufenthalt hier als "Trainingslager". "Hey,
Christina, was ist los? Du guckst total sauer!" Voller Zorn erzählte ich
ihm von diesem ominösen Zwangstermin und Peters Reaktion.
     
    Jürgen
lachte mich aus:   "Das ist hier
üblich. Jeder, der im Rollstuhl sitzt, hat diesen Termin ein paar Wochen, bevor
er entlassen wird. Ich weiß, man ist geschockt, ging mir vor drei Jahren auch
so. Aber da wirst du einfach der Größe nach vermessen und kannst dir dann einen
schicken Rollstuhl deiner Wahl aussuchen. Du ahnst ja gar nicht, was es alles
an Sonderzubehör für diese Stühle gibt. Ich habe mir damals einen Spaß draus
gemacht, mir von allem nur das Teuerste auszusuchen, der Stuhl hatte
schließlich einen Endpreis, für den ich auch einen Kleinwagen bekommen hätte.
Das örtliche Sanitätshaus macht dir dann ein schriftliches Angebot und du
kannst entscheiden, ob du denen oder lieber einem Geschäft an deinem Wohnort
den Auftrag gibst. Aber ich habe mir damals - weil ich ebenso wie du keinen
eigenen Rollstuhl wollte - einfach einen ausgeliehen und den, als ich wieder
laufen konnte, zurück gegeben."
     
    Man
musste nur mit den Leuten reden!   Vor
meinem inneren Auge spielte sich ein Gruselfilm ab, in welchem ich in meinem Rollstuhl
von irgendeinem unsensiblen Techniker mittels Maßband vermessen wurde wie ein
Stück Kantholz. Währenddessen plauderte er ungeniert mit Peter, der in der Ecke
stand, angeregt über die tolle Bergwanderung, die er unlängst mit Kumpels
gemacht hatte und ich blätterte derweil lustlos in einem Zubehörkatalog und
suchte mir für mein Gefährt geile Breitwandreifen und Spezialalufelgen aus….
    Umgehend
beschloss ich, diesen überflüssigen Termin sausen zu lassen und notfalls eben
auch einen Rollstuhl auszuleihen, aber nur solange ich den benötigen würde.
     
    Peter
war natürlich hellauf begeistert, als ich ihm das in der nächsten Therapieeinheit
mitteilte und begann, mir genüsslich die schrecklichen Folgen auszumalen, die
ich gesundheitlich erleiden würde, wenn ich keinen mir speziell angepassten
Rollstuhl benutzte. Angesichts seines Eifers, den er dabei an den Tag legte,
hegte ich die starke Vermutung, dass seine Provision für jeden Rollstuhl, der an
seine Patienten verkauft würde, relativ hoch bemessen sein dürfte! Normalerweise
war ich ein höflicher Mensch und ließ andere ausreden, aber hier handelte es
sich um reinen Selbstschutz. Ich fiel ihm rüde in seine düsteren Prophezeiungen
(Ich warne Sie, Ihre Spastik kann sich verstärken, Sie bekommen Rückenprobleme
bla ba bla): "Das kann alles sein, aber mein seelisches Gleichgewicht ist
mir wichtiger. Streichen Sie diesen Termin und sorgen Sie lieber dafür, dass
ich in der Therapie mehr laufe."
    Klar,
dass meine Beliebtheit bei ihm gerade auf den absoluten Nullpunkt gesunken   war! Aber: Everybody´s Darling is everybody´s
Depp!

Kapitel Zwanzig
     
     
      Am gleichen Abend geriet ich beim Essen um ein
Haar auch noch mit unserer Hypochonderin aneinander. Irene kam mit
schmerzverzerrtem Gesicht - und völlig normaler Gangart - an den Tisch. Sie hatte
sich am Salatbuffet bedient und ließ sich jetzt stöhnend auf ihren Stuhl
fallen. Herr Klamber hatte uns eben völlig sachlich und ganz ohne Pathos erzählt,
dass er zu allem anderen auch noch Rheuma hatte, das ihn gerade ziemlich plagte.
Er litt zusätzlich zu seinen Lähmungen, die ihn für den Rest seines Lebens an
den Rollstuhl fesselten, an Bluthochdruck und Herzbeschwerden, jammerte aber
niemals, sondern war immer gut drauf. Als Irene ihren theatralischen Auftritt
inszenierte, erkundigte er sich scheinheilig mitfühlend:
    "Na, einen harten Tag
gehabt?" Mit weinerlicher Stimme begann sie, ihr Leid zu klagen.
      "Ich bin völlig erschlagen, mir tut alles
weh. Ich musste heute Morgen Bewegungstraining machen an diesen Foltergeräten.
Meine Therapeutin ist total unfähig. Sie hat mich eine Stunde lang gezwungen,
zu radeln, auf dem Laufband zu rennen und Gewichte zu stemmen. Das ist doch
nicht normal! Ich war hinterher total verschwitzt und jetzt tun mir alle
Muskeln höllisch weh! Ich will doch kein Bodybuilder werden. Ich werde

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