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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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sich mit einer
alten Frau wie mir abgeben."
    Sie lächelte verschmitzt, als ich ihr
aufrichtig erklärte, sie wirke von Ihrer ganzen Art her jünger als viele
Patienten, die an Jahren gemessen in meiner Altersklasse waren. Und unsere
Spaziergänge in den Mittagspausen bestärkten mich in dieser Einschätzung. Ihre
Lebenserfahrung war groß, aber während unserer angeregten Unterhaltungen wirkte
sie nie belehrend oder überlegen.
     
    Dank ihrer Begleitung   lernte ich endlich den gesamten Klinikpark
kennen, dessen gepflasterte Wege sich sanft abfallend durch wunderschön
angelegte Blumenbeete, Wiesen und Strauchgruppen bis hinunter an das
Bodenseeufer schlängelten. Es gab viele Bänke, auf denen wir uns zwischendurch
ausruhen konnten.
    Ein Plätzchen hatte es mir besonders
angetan: Es war eine Art Aussichtspunkt oben hinter dem Klinikgebäude, ein lauschiges
Örtchen, etwas versteckt zwischen ein paar Bäumen. Von dort aus hatte man einen
wunderbaren Blick auf See und Berge.
     
    Als Mark mich das nächste Mal an einem
Sonntag besuchen kam, bat ich ihn, mich nach unserem mittlerweile obligatorischen
Begrüßungsritual - wir schliefen miteinander, wie um uns zu vergewissern, dass
es immer noch möglich war und das war es, oh ja! - mit mir zu diesem
Aussichtspunkt zu fahren. Er saß auf der Bank, ich daneben in meinem Rollstuhl,
was mir immer noch das bittere Gefühl vermittelte, von den normalen Menschen
getrennt zu sein und unterhielten uns. Er berichtete mir - natürlich - von
seiner Arbeit, was sich sonst noch so im Bekanntenkreis tat und ich schilderte
ihm die Fortschritte, die ich in dieser Woche gemacht hatte und erzählte ihm
von Frau Wallner, der wir vorhin kurz begegnet waren.     
    "Aber Chris, die Frau ist doch
mindestens dreißig Jahre älter als du. Gibt es denn keine Gleichaltrigen hier,
mit denen du dich unterhalten könntest?"
    Ich lachte ihn aus. "Mark, die
Gleichaltrigen können zum größten Teil nicht sprechen. Eine junge Frau ist hier
etwa in meinem Alter, mit der habe ich einmal kurz in der Werkstatt geredet,
sie hat Multiple Sklerose im Anfangsstadium. Man sieht ihr noch nichts an, aber
sie hatte vor fünf Wochen   einen heftigen
Schub, deshalb ist sie hier. Und die hat mir knallhart gesagt, sie könne es
nicht ertragen, sich mit einer Rollstuhlfahrerin und sei sie auch noch so nett,
näher anzufreunden. Denn ich würde sie immer daran erinnern, dass sie es eines
Tages sei, die dauerhaft in so einem Gefährt sitzen würde. Und du glaubst es
vielleicht nicht, aber ich kann das aus vollem Herzen nachempfinden! Außerdem
ist Frau Wallner in ihrem Herzen total jung geblieben und sie tut mir mit ihrer
optimistischen Art sehr gut."
    "Na gut, du musst es wissen. Aber
jetzt zu einem anderen Thema: In einer Woche ist Ostern und damit ein langes
Wochenende. Was machen wir an diesen Tagen? Soll ich dich nach München in
unsere Wohnung holen?"
    Ich war unschlüssig. Einerseits graute
es mir davor, dieses lange Wochenende ganz ohne Therapien in der Reha zu verbringen.
Ein Tag im Rollstuhl war ohne den täglich zu absolvierenden Stundenplan
verdammt öde. Andere, bereits mobilere Patienten als ich, fuhren nachhause zu
ihren Lieben oder planten Ausflüge rund um den See nach Lindau, Österreich oder
in die Schweiz. Frau Wallner hatte schon angekündigt, sie ginge für diese Tage
zu ihrem Sohn nach Meersburg. So weit war ich noch lange nicht. Für mich
gestaltete es sich schon schwierig, überhaupt in ein Auto ein - oder
auszusteigen, außerdem machten Sightseeingtouren keinen Spaß, wenn man sich
nicht richtig bewegen konnte. Vor allem an Feiertagen, wo ohnehin alles mit
"Normalsterblichen" überlaufen sein dürfte…Aber unsere Wohnung? Wie
ich schon erwähnte, die war alles andere als behindertengerecht und mit meinen
Rollstuhl käme ich nur schwerlich durch die Badezimmer - geschweige denn Toilettentür.
Da unser Schlafzimmer sich oben auf der Galerie befand, die nur über eine
freischwebende Wendeltreppe erreicht werden konnte, müsste ich im Wohnzimmer
mein Nachtquartier aufschlagen. Unser Designersofa von Rolf Benz war aber als
Bett schon für Nichtbehinderte gänzlich ungeeignet!   Meine Eltern hatten bereits angeboten, sie
kämen gerne über Ostern her, um mir Gesellschaft zu leisten. Aber wie gesagt,
wirklich was unternehmen könnten wir auch nicht, höchstens Spaziergänge machen.
Nach Ludwigsburg heim in mein Elternhaus gehen hatte ebenfalls wenig Sinn, da
dessen Hanglage und die vielen

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