Zitronentagetes
betrieb.«
»Ja.«
»Ich habe mir so viel über Pferdezucht angelesen, wie in meinen Kopf reingeht, aber mit der Theorie allein komme ich nicht weiter. Ich brauche jemanden, der Ahnung hat und für mich arbeiten würde. Hast du eine Idee?«
»Mein Grandpa beschäftigte einen Indianer, der auf der Ranch lebte. Jason Whitehorse war sein Name. Als Kind war mir der Typ immer etwas unheimlich. Er schien uralt, aber mit Pferden konnte der Mann zaubern.«
Indianer – natürlich, das war die Lösung. Warum war er nicht selbst darauf gekommen?
Elvira Thomas rief von oben ins Tonstudio herunter. Obwohl er sie zunächst nicht verstand, erkannte er doch, wie aufgeregt ihre Stimme klang. »Tyler, Flo ist dran. Charly ist umgekippt.«
Die Coladose rutschte ihm aus der Hand. Das Scheppern echote übernatürlich laut zwischen den Wänden.
Es dauerte nicht lange, bis der rote Pick-up mit quietschenden Reifen vor der Praxis zum Stehen kam. Tyler rannte über die Auffahrt. »Wo ist sie?«
»Sie ist gerade wieder zu sich gekommen«, versuchte Bertha, ihn zu beruhigen.
»Was ist denn passiert?« Doch er hatte jetzt keine Zeit, sich ihre Erklärungen anzuhören. Schnurstracks folgte er der Richtung von Berthas ausgestrecktem Arm. Vor dem Sofa ging er in die Knie. »Wie geht es dir?«, flüsterte er Charly ins Ohr. Sie sah so schrecklich zerbrechlich aus. »Ich bringe dich ins Krankenhaus.«
»Es war nur ein kleiner Schwächeanfall«, protestierte sie halbherzig. »In deinen Armen geht‘s mir schon viel besser.«
Sinnlos, sich länger etwas vorzumachen. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Ihr Kopf fiel zur Seite und Tränen liefen über ihr Gesicht. Tyler brach es fast das Herz. Wenn Charly keine Widerworte mehr hatte, stand es wirklich schlimm. Ein Schauder rieselte durch sein Rückenmark. Ebenso hilflos war damals auch seine Mutter gewesen. O Gott, die Erinnerung bohrte ein Loch in seine Eingeweide. Behutsam hob er Charly hoch und trug sie zum Auto.
»Soll ich mitkommen?«, fragte Floriane.
»Danke, es geht schon.« Tyler sah Marc an. »Das bleibt alles unter uns, ja? Bitte.«
»Natürlich.« Marc nickte.
Auch Flo wusste, wie sehr Tyler es hasste, wenn etwas Privates über ihn in der Presse stand.
*
»Hallo fleißiges Bienchen.« Marc hob Flos Kinn an und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, als er von der Arbeit kam.
Irritiert sah sie ihn an. »Für den Septemberquilt appliziere ich zwei kleine Kürbisse auf den Hintergrundstoff. Ich habe dafür den rustikalen Knopflochstich gewählt und sticke im Anschluss sich ringelnde Ranken mit grünem Garn. Wie war es in der Firma?«
»Frustrierend. Ständig werden Nachbesserungen gewünscht. Manchmal frage ich mich, ob ich mit meinem Werkeln am Holz besser dran wäre.«
»Du Ärmster! Aber wer wird denn Trübsal blasen? Dagegen gibt es schließlich Herzchenwaffeln mit Sahne.«
»Hm, da sage ich nicht Nein.«
»Dann mach es dir gemütlich, Schatzi.« Sie warf ihm betont übertrieben die Tageszeitung hin. »Wie findest du das hier?« Flo tippte auf einen Artikel . »Lies! Demnach würden drei von vier Frauen ihren Freundinnen den Mann ausspannen. Mit der Begründung: Liebe darf alles, auch Freundschaften zerstören.
»Unerhört.«
»Machst du dich über mich lustig?«
»Nee.«
»Dein Glück.«
»Ähm, wo sind die Waffeln noch mal?«
Sie fasste sich an die Stirn und trat kurz darauf mit einem vollen Tablett auf die Veranda. »Bertha hat ganz komisch geguckt, als ich ihr von dem Artikel erzählt habe.«
»Jeder Mensch hat ein finsteres Geheimnis.«
»Interessante Sichtweise.«
»Warum bist du so nervös?« Er schob sich einen Happen in den Mund.
Auf ihren Lippen glänzte rosafarbener Lipgloss. Wollte sie ihn absichtlich locken? Wenn er nicht bald ein klein wenig Sex bekam, drehte er noch durch. Krüppel haben keinen Sex , schrillte eine Stimme durch sein Hirn. Das konnte nicht stimmen, oder? Himmel, es durfte nicht wahr sein. Sein Blick blieb an ihrem Busen hängen. »Ist die Bluse neu?«
»Ja, vom letzten Scheck für meine Gartenkolumnen. Sie ist mal kein Sonderangebot«, sagte Floriane stolz. »Sieht toll aus, was?«
Und knalleng. Genauso fühlte sich mit einem Mal seine Kehle an. Hastig trank er einen Schluck Kaffee.
»Bei den Hippies ist das was anderes.«
Marc hatte Mühe, ihren Gedankensprüngen zu folgen.
»Da heißt es: Love and Peace – ist alles ganz easy – hübsch locker, ohne feste Bindungen oder irgendwelche Regeln. Wer sich heute mit
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