Zitronentagetes
die Polizei einen Unfallwagen niemals so wie während der Ermittlungen in einem Mordfall. Sie checken nur routinemäßig. Da kann man leicht etwas übersehen«, gab George zu bedenken.
In dem Bruchteil der Sekunde, als er die Person auf der Straße sah, hatte er doch aber gebremst, versuchte er, sich zu erinnern.
*
Flo ließ es sich nicht nehmen, zum Patchworktreff ihren Kalender mitzuschleppen. Zwei der kleinen Quilts, die man an Schlaufen auf eine Holzstange zog, hatte sie bereits fertiggestellt. Sie freute sich, als die Quilterinnen sie bewundernd ansahen. Auch Anna war heute mit von der Partie. Sie hatte einen Quilt aus Großmutters Lieblingsstücken genäht und ihn obendrein mit Schmetterlingen appliziert. Der Quilt gefiel Flo, vor allem die gedeckten Farben: orange, beige, hellbraun.
Anna gähnte hinter vorgehaltener Hand. »Wir waren gestern in New York und sind erst spät zurückgekommen. Tyler war sauer, weil sein Rockmärchenprojekt ins Stocken geraten ist. Irgendwer liegt mit irgendjemandem im Clinch und dann vergeht erst mal wieder wertvolle Zeit. Aber Norman, unser Manager, war von der »Undercover«-CD begeistert. Wir hatten die Demoversion im Gepäck. Ich war skeptisch, meistens mag ich die alten Originale lieber. Tyler hat es gewagt, CCR’s »Down on the corner« neu zu arrangieren. Es klingt total anders. Tylers Stimme ist viel dunkler und tiefer. Aber es hat mich fast umgehauen, als ich es zum ersten Mal hörte. Norman ging es auch so. Das kriegt nur Tyler fertig«, schwärmte Anna, während sie ihr Label auf die Rückseite des Quilts stickte.
Als Flo am Nachmittag nach Hause kam, fand sie Marc Zeitung lesend in der Küche. »Es ist keine Milch mehr da.«
»Weiß ich. Wegen der Einweckerei bin ich diese Woche noch nicht zum Einkaufen gekommen. Meine Arme sind schon ganz taub vom Apfelmus rühren, und im Keller steht noch ein Korb voll .«
»Warum sagst du denn nichts?«
»Du bist tagsüber arbeiten .«
»Na und? Du doch auch.«
Da hatte er recht.
»Ich frage mich ernsthaft, was du dir täglich einwirfst, um dein Pensum zu schaffen.« Er sah sie an. »Schönheitssalon, Krankenhaus, Texte schreiben, der Garten, Kevin, du putzt für mich … Ich bewundere dich, ehrlich.«
»Danke schön.« Sie gab ihm einen Kuss.
»Wenn du magst, könnten wir jetzt einkaufen gehen.«
»Okay.«
Als sie ihren Einkauf im Wagen verstauten, trafen sie auf Aurelia Hart. Sie ging sehr behäbig, es war offensichtlich, dass sie Schmerzen hatte. Marc grüßte sie. Trotz ihrer Beschwerden freute sie sich, ihn zu sehen. Aurelia lächelte auch Floriane an. »Das ist meine Freundin«, stellte Marc sie vor.
So, wie er es sagte, klang es, als wären sie ein Paar.
»Sind Sie zu Fuß?«
»Ja.« Aurelia sah zu Marc auf. »Ich hatte was vergessen und mein Mann hilft einer Familie beim Umzug.«
»Wir können Sie zu Hause absetzen«, bot Flo an.
»Das ist äußerst liebenswürdig.«
»Ach was, steigen Sie ein .«
Aurelia bestand darauf, dass sie noch eine Tasse Kaffee bei ihr tranken. Als sie das Haus betraten, stieg Curtis Zimmerman gerade die Treppe herunter. »Sieh an, so hoher Besuch.«
»Du, mal nicht im Dienst?«, fragte Marc.
»Ohne dich ist es nicht mehr so schön dort.« Curtis versuchte offenbar, geheimnisvoll zu klingen.
»Keine Anzüglichkeiten in der Öffentlichkeit.«
»Ich bin enttäuscht, dass du nicht dazu stehst, wie gut wir uns gegenseitig tun. Aber sei’s drum.«
Flo sah von einem zum anderen und lachte vergnügt. »Cowboy, was verheimlichst du mir?«
»Stimmt ja, hat er Ihnen auch vorgeflunkert, Sie wären mit ihm verlobt?«, wandte sich Curtis jetzt an Flo.
»So ähnlich.«
»Inzwischen müssten Sie seine Vorlieben kennen.« Damit drehte er sich wieder zu Marc und klimperte mit den Wimpern. »Böser Schlingel«, hauchte er lasziv.
»Curtis, wie schön.« Aurelia betrat das Wohnzimmer. »Trinkst du eine Tasse mit uns?«
»Gern. Warte, ich nehme dir das Tablett ab.« Er wandte sich an Marc. »Ich habe euch schon vom Fenster aus gesehen. Du läufst gut. Man merkt nichts.«
»Also zahlt sich mein tägliches Training aus.« Marc strahlte. »Und was machst du so?«
»Ich habe heute ein Date.«
»Sag bloß.«
»Vicky und ich gehen essen.«
»Victoria Tanner?«
Hörte Flo da einen gewissen Unterton in Marcs Stimme? Jaques war jetzt ein Jahr tot. Wieso sollte seine Witwe nicht in ein Restaurant gehen – in männlicher Begleitung?
Schweigend lenkte Marc den Wagen durch
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