Zitronentagetes
Verhängnis. Etwas Warmes, Klebriges klatschte auf die hellen Fliesen. O Gott! Nein! Peinlich berührt sah er zu dem Pfleger hinüber, der ihn erst mal allein ließ. Das Zäpfchen zeigte, zu was es imstande war, und ihm blieb nichts anderes übrig, als es durchzustehen. Einmal mehr verfluchte er seine körperliche Schwäche. Der Gedanke, dass sich an diesem jämmerlichen Zustand im Wesentlichen nichts ändern würde, traf ihn wie ein Faustschlag. Sofort verkrampften sich die Muskeln in seinen unteren Regionen aufs Schärfste. Halt suchend griff er an die Stange an der Wand. Er trug schwer an der Gewissheit, für immer ein Krüppel zu sein. Dazu gesellte sich Schuld, der Verlust von Amy, und ein Druck manifestierte sich zwischen seinen Schulterblättern, der ihn gnadenlos nach unten stieß. Geradeso, als würde ihn ein Paar riesiger Stiefel langsam zertreten. Umständlich machte er erst sich und anschließend die Klosettschüssel sauber. Marcs Blick fiel auf den vollgekleckerten Fußboden. Er konnte unmöglich zulassen, dass ein anderer seine Sch…
O Gott, wie sehr er sich schämte.
Meterweise Toilettenpapier von der Rolle zerrend, ließ er sich vorsichtig auf den Boden gleiten. Er putzte emsig, während er sich, auf dem nackten Hintern sitzend, vorwärtsschob. Seinem Beinstumpf schien diese Behandlung keineswegs zu behagen, denn der Knochen pochte wieder heftig. Leider war er auch ziemlich unsanft auf die harten Kacheln gestoßen, aber er verbot sich jeden Blick auf sein rechtes Bein, vielmehr auf das, was davon übrig war.
»Mr. Cumberland.« Es klopfte an der Tür. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja.« Von wegen.
»Gleich ist Visite, ich komme jetzt rein.«
O nein – es stank bestimmt fürchterlich, obwohl der Lüftungsabzug, der mit dem Lichtschalter gekoppelt war, bereits eine ganze Weile lief.
»Um Gottes willen, sind Sie gefallen? Warum haben Sie nicht an der Strippe des Notschalters gezogen?«
Wenn sie auch ehrlich besorgt klang, ärgerte sich Marc darüber, warum man ihm im unpassendsten Moment wieder eine Schwester schickte, obwohl es doch auch männliche Pfleger gab. Er bot, wie er da mit seinem nackten Hintern und dem viel zu kurzen Nachthemdchen hockte, bestimmt einen großartigen Anblick.
»Was ist hier los?« Elizabeth und eine weitere Schwester standen plötzlich in der Tür.
»Wir bereinigen ein kleines Missgeschick.« Schwester Nummer eins.
Elizabeths Blick streifte ihn. Sie war von jeher ein Blitzmerker, und fast sofort spiegelte sich die Erkenntnis auf ihrem Gesicht wider.
Marc spürte, wie er errötete, und mied von da an jeden Blickkontakt mit ihr. Ihm war zum Heulen zumute, doch er nahm sich zusammen. Mit vereinten Kräften half man ihm auf, und sofort schlug seine Scham in blinde Wut um.
Liz zog rasch die Visite durch, bevor sie das Zimmer wieder verließ.
*
Tyler trat näher an seine Frau heran. Sofort nahm er den vertrauten Pampelmusenduft wahr, den sie verströmte.
Charlotte sah die Post durch, die im Laufe ihrer Abwesenheit eingetroffen war. Tess spielte in ihrem Zimmer, Ryan war wie üblich irgendwo draußen und Rodney hatte sich zum Joggen abgemeldet.
»Wir sollten reden.« Er legte von hinten seine Arme um sie.
Sie ließ sich gegen ihn sinken. »Nichts Wichtiges dabei.« Sie wies auf die geöffneten Briefe.
»Die Post ist doch uninteressant, und das weißt du.« Sachte küsste er ihre Wange und ihren Hals.
Beinahe begann sie zu schnurren. Ihre Reaktion auf ihn löste immer eine tiefe Freude in ihm aus.
»Wir sind beide Scheidungskinder und hatten auch sonst nicht das Elternhaus, welches wir hätten haben sollen. Von daher haben wir also keine Ahnung, wie das in einer gut funktionierenden Partnerschaft so abläuft. Ich hege allerdings eine gewisse Vorstellung von dem, wie ich es mir wünsche. Bisher dachte ich, es ist nicht falsch, wichtige Dinge zu besprechen, um gemeinsam eine Sache anzugehen. Sind Kinder nicht das Wichtigste überhaupt?«
»Doch, natürlich.«
»Du hast mir gesagt, dass du wahrscheinlich keine Kinder bekommen kannst, und wir haben uns entschieden, Ryan und Tess zu uns zu nehmen. Was gefällt dir daran nicht mehr?« Er sprach ruhig und beherrscht, doch sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, wie sehr es in seinem Inneren brodelte.
»Tyler.« Charlotte ergriff seine Hände. »Ich liebe diese, meine – unsere kleine Familie. Und ich hätte nicht gedacht, wie gut ich mit den Kindern klarkomme, aber … Ich habe dich
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