Zitronentagetes
äußerst beunruhigte. »Was ist passiert?«
*
Marc zog die Schultern hoch und wandte den Blick ab. Er wollte sich zusammenreißen, aber die Wärme in den Augen seines Vaters ließ seine Kehle eng werden. Er schluckte.
»Meinst du nicht, dass es ein wenig leichter wird, wenn du darüber redest?«
»Ich weiß nicht.«
»Du denkst, alle haben gut reden. Sie laufen auf ihren zwei Beinen durch die Welt, haben keine Ahnung, wie dir zumute ist. Keiner kann dir wirklich helfen, du musst da ganz allein durch. Und du hast recht, Marc.«
Überrascht hob er den Kopf und sah seinen Vater an.
»Aber es stimmt doch, oder nicht?«
Zögernd nickte Marc. Jennys Miene wirkte ausdruckslos, ihr kleiner Finger war mit dem ihres Mannes verhakt. Mit dem Daumen strich sie federleicht über Georges Hand. Brauchte sein Vater ihre Rückenstärkung? Diese Geste irritierte ihn.
»Ich habe den Mann angerufen«, hörte er sich sagen. Weder George noch Jenny hakten nach und so fuhr Marc einfach fort und berichtete von dem Telefonat mit Scott Peterson. Schließlich nickte sein Dad. »Ich weiß, wie sich Schuld anfühlt. In meinem Fall war es eine unglückliche Verkettung von Ereignissen, die ich unmöglich hatte voraussehen können. Bei dir ist es ein Verkehrsunfall, der leicht anders hätte ausgehen können. Das weißt du auch.«
Ist mir doch egal – stand ihm offenbar ins Gesicht geschrieben. Sein Vater wusste, dass er sich aufgegeben hatte.
»Du hast nur eine Chance, wenn du es schaffst, dir selbst zu vergeben. Akzeptiere dich so, wie du bist. Liebe dich!«
Marc starrte seinem Vater und Jenny hinterher und hielt noch die Tür im Blick, als sie längst geschlossen war. Georges Ratschlag hallte in ihm nach. Wie er das anstellen sollte, das hatte ihm sein Vater allerdings nicht verraten.
Das Telefon läutete.
»Hier ist Mom. Stimmt es, dass dein Vater in der Stadt ist? Millicent rief mich an und hat mir berichtet, dass sie George auf dem Parkplatz des Krankenhauses begegnet ist.« Verdammte Millicent. Er würde dieser Frau am liebsten eigenhändig den Hals umdrehen.
»Marc, hörst du mir überhaupt zu ?«
»Entschuldige.«
»Wie oft hat er dich schon besucht?«
»Zwei Mal.«
»Und immer mit dieser … dieser Person, nehme ich an.«
»Hm.« Er seufzte.
»Obwohl er weiß, dass du ihn nicht sehen willst. So ist es doch, oder?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Was soll das heißen?«
»Ich kann ihm schlecht verbieten, mich im Krankenhaus zu besuchen, oder?« Und außerdem brauche ich ihn. Diese Erkenntnis überraschte Marc.
»Eigentlich wollte ich dich auch heute besuchen, aber Millicents Anruf kam mir dazwischen. Da es immer so früh dunkel wird, möchte ich nicht mehr allein … du verstehst …«
»Ja.«
»Morgen komme ich auf alle Fälle, mein Junge.«
»Ist gut.«
*
Flo freute sich darauf, den Silvesterabend mit Marc zu verbringen. Sie hatte einen Kartoffelsalat zubereitet, der ebenso wie die Würstchen in einer Tupperware-Dose auf dem Rücksitz ihres Wagens verstaut war. Zuerst lieferte sie Kevin, der den ganzen Tag über ungeduldig seiner ersten Silvesterparty entgegengefiebert hatte, bei den Reinholds ab. Es passte prima, dass sie Bertha zu den O’Brians brachte. So konnte sie rasch bei Elizabeth klingeln und von ihrem Vorhaben berichten.
Liz sah müde aus und schien wenig begeistert, ganz gegen die Krankenhausordnung einen mitternächtlichen Umtrunk zu gestatten. »Aber nur ein Glas.«
»Ist doch alkoholfreier Sekt, wofür hältst du mich denn? Man schmeckt den Unterschied überhaupt nicht.« Fröhlich winkend wandte sich Flo zum Gehen.
»So was wie dich hat er gar nicht verdient.«
Beladen mit dem schweren Korb betrat sie das Zimmer. »Tatatata, hier bin ich.« Sie strahlte Marc an.
»Florence Nightingale, Miss Frohnatur ist da.«
Sie würde sich von seinem Sarkasmus auf keinen Fall aus dem Konzept bringen lassen. »Was gab es zum Abendbrot?«
»Keine Ahnung. Hast du wieder irgendjemandem erzählt, wir wären verlobt?«
»Aber mitnichten. Wer will schon mit so einem Miesepeter verlobt sein?«
Marcs Kopf fuhr hoch. Ihre Worte schmerzten offenbar. Gut so, sollte er ruhig ein wenig ins Grübeln geraten.
»Nun, schlechterdings ist mir ein Bein abhandengekommen, ich habe eine Frau auf dem Gewissen und meine tatsächliche Verlobte hat mir den Laufpass gegeben. Ist es da verwunderlich, dass es mit meiner Laune nicht zum Besten steht?«
»Das wussten wir gestern schon. Was ist
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