Zodiac - Auf der Spur eines Serienkillers
Ihm war offensichtlich gar nicht wohl dabei, dass ich hier bei ihm im Büro war; er hatte sicher Angst, der Kerl könnte zurückkommen und uns beide kaltmachen. Er war allein auf der Wache, und deshalb ging er mit mir zu einem kleinen Gasthaus, das nicht mehr geöffnet hatte. Er ließ den Eigentümer aufsperren, damit ich in dem Gasthaus sitzen konnte, anstatt bei ihm im Büro. Ich war schon ein bisschen sauer auf über den Mann.
Da saß ich also in der dunklen Gaststube und erzählte ihm, wo mein Auto stand«, berichtete Kathleen, »in der Nähe der ARCO-Tankstelle. Und ich glaube, der Sheriff fuhr hin und meldete dann über Funk, dass dort kein Wagen stand. Sie suchten weiter, und nach einer Weile kam die Meldung, dass man das Auto an einer anderen Straße gefunden hatte, aber völlig ausgebrannt.«
Um Kathleens Kombi in die Byrd Road beim Highway 132 zu bringen, musste der Fremde sogar das Rad wieder montiert haben.
»Innen war alles verbrannt. Ich fuhr zum Schrottplatz, weil die ganzen Sachen meiner kleinen Tochter im Auto waren. Ich wollte sehen, ob nicht noch irgendetwas davon zu gebrauchen war. Aber es war alles verbrannt.«
Ein paar Tage später schickte Toschi Kathleen einige Bilder von Verdächtigen, die zwischen achtundzwanzig und fünfundvierzig Jahre alt waren. Ich fragte sie später nach diesen Fotos.
»Ja,« antwortete sie, »er hat sie mir über den Sheriff von Stanislaus County zukommen lassen. Aber ich hatte den Eindruck, dass der Mann von damals jünger war als die Männer auf den Fotos. Ich glaube, dass ich ihn sofort wieder erkennen würde, wenn ich ihn irgendwo sehen würde.«
Der Mordversuch an Kathleen und ihrem Baby war um Mitternacht und an einem Wochenende passiert; außerdem hatte der Mann Navy-Kleider getragen und einen Bürstenschnitt gehabt - alles Hinweise, die mich vermuten ließen, dass sie dem Zodiac-Killer entkommen war. Darüber hinaus hatte der Fremde eine Brille mit dunkler Fassung getragen und mit einer monotonen Stimme gesprochen - alles Merkmale, die die überlebenden Opfer übereinstimmend erwähnt hatten.
Wenn Kathleen tatsächlich dem Zodiac entwischt war, dann hatte sie den Mörder länger als irgendein anderes seiner Opfer aus nächster Nähe und ohne Verkleidung gesehen. Und sie hatte überlebt und konnte davon berichten.
10
Zodiac
Sonntag, 19. April 1970
Der Mann, der mit einem neuen Wagen an der Ecke Bay Street und Embarcadero geparkt hatte, schien ein geradezu zwanghaftes Interesse an der Anzahl der Verbrechen in San Francisco zu haben. Er erzählte überaus detailliert von allen fünfunddreißig Morden, die in diesem Jahr schon in der Stadt verübt worden waren.
»Man kann sich nicht mehr sicher fühlen, wenn man allein irgendwo unterwegs ist«, teilte er Christopher Edwards, einem Schiffssteward, mit, »bei all den Raubüberfällen, Morden und Vergewaltigungen, die heutzutage passieren.« Edwards hatte den Mann nach dem Weg gefragt, als er zu Fuß nach Fisherman’s Wharf ging, und er hatte »irgendwie ein ungutes Gefühl in seiner Nähe«. Der Fremde stellte sich als englischer Ingenieur vor, der seit zehn Jahren in San Francisco lebte. Er bot dem Steward an, ihn ein Stück mitzunehmen, aber Edwards lehnte ab. Er hörte jedoch aufmerksam zu, als der Mann offenbar gut informiert über die Morde in der Stadt sprach; denn nur auf jene Verbrechen, die im Moment die Menschen am meisten beschäftigten - die Zodiac-Morde -, ging er überhaupt nicht ein.
Dass der Mann es offensichtlich vermied, auch nur ein Wort über Zodiac zu sprechen, machte Edwards ziemlich stutzig. Gleich als er beim Pier angelangt war, rief er bei der Polizei an. Etwas später in der Central Station erkannte er den Mann, mit dem er gesprochen hatte, auf einem Phantombild des Zodiac.
Konnte es sein, dass Zodiac ein englischer Ingenieur war?
Sonntag, 19. April 1970
Die Leiche des bekannten Lampen-Designers Robert Salem wurde verstümmelt und halb enthauptet in seiner eleganten Wohnung, die ihm gleichzeitig als Atelier diente, aufgefunden. Der Mörder hatte offenbar vergeblich versucht, den Kopf des viezigjährigen Salem mit einem langen dünnen Messer abzuschneiden. Als ihm dies nicht gelang, hatte er seinem Opfer wenigstens das linke Ohr abgeschnitten und mitgenommen. An die Wand hatte der Täter mit dem Blut des Toten die Worte »Satan Saves« (»Satan, der Retter«) geschrieben. In größeren Buchstaben stand neben der symbolischen Darstellung eines gekreuzigten Mannes das
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