Zodius: Gegen den Sturm (German Edition)
Danach bot er ihr den Stuhl vor dem Schreibtisch an, zog einen weiteren Stuhl heran und setze sich neben sie. Sein Zeigefinger schwebte über einer Computertaste.
»Bereit, deine neue Kollegen kennenzulernen?«
Sie nickte, überrascht darüber, wie bereit und motiviert sie tatsächlich war. Zum ersten Mal, seit sie von Adam und seinen üblen Plänen erfahren hatte, hatte sie vielleicht eine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Ihn aufzuhalten.
Sterling drückte auf eine Taste. Auf dem Bildschirm erschien eine hübsche blonde Frau. Sie trug einen Laborkittel und hatte sich das Haar zu einem bieder wirkenden Knoten zurückgebunden.
»Becca«, sagte Sterling und deutete mit der Hand auf den Bildschirm. »Ich möchte dir Kelly Peterson vorstellen, die Direktorin der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung der Renegades und eine gewaltige Nervensäge, die mir das Leben schwer macht. Nichtsdestoweniger ist sie verdammt gut in dem, was sie tut.«
»Der Einzige, der hier an den Nerven sägt, ist Sterling«, gab Kelly zurück, doch es war unverkennbar, dass sie ihn nur neckte. »Aber das haben Sie inzwischen sicher schon selbst herausgefunden.«
Becca konnte sich nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen, als sie sah, wie Sterling leise grummelnd das Gesicht verzog.
»Komme ich zu spät?«, ertönte eine weitere Frauenstimme, und eine Sekunde später erschien eine zweite hübsche Blondine auf dem Bildschirm. Sie flüsterte Kelly etwas zu, das Haar floss ihr in seidigen Strähnen um die Schultern.
Sterling beugte sich nahe an Becca heran. »Das ist Cassandra«, sagte er leise und nur für ihre Ohren bestimmt. »Sie ist das Lebensband von Michael, dem König von Finsternis und Griesgrämigkeit.«
»Das habe ich gehört, Sterling«, meldete sich Cassandra zu Wort und zog eine Schnute. »Sei kein Arsch. Michael ist kein Griesgram. Er ist sehr fürsorglich und vorsichtig. Er ist außerdem
dein Freund.
Und er wartet im Ostflügel von Neon mit ein paar von Beccas persönlichen Sachen auf dich.«
Becca musste unwillkürlich über Sterlings Wortgefecht mit Cassandra lachen, was sie selbst überraschte und freute. Hier hatte sie es mit Leuten zu tun, die Freunde waren, die einander kannten und liebten, ganz anders als die steifen, kalten Existenzen in Zodius City. Und die führende Wissenschaftlerin war eine Frau. Noch etwas, das Adam niemals zugelassen hätte.
Cassandra richtete den Blick auf Becca. »Ich wollte Sie wissen lassen, dass ich in Ihrem Haus war, um ein paar Ihrer Sachen zusammenzupacken. Ich kam mir ein wenig wie ein Eindringling vor, aber ich habe versucht, es dadurch wiedergutzumachen, dass ich ausgewählt habe, was mir am wichtigsten für Sie erschien.«
Obwohl Sterling gesagt hatte, dass er einige ihrer Sachen abholen lassen wollte, war sie nie dazu gekommen, eine Liste zusammenzustellen. »Vielen Dank«, antwortete sie rasch. »Das macht mir überhaupt nichts aus. Ich kann es gar nicht erwarten, ein paar meiner Habseligkeiten wiederzuhaben.«
»Ich bin Ihnen gern zu Diensten«, sagte Cassandra. »Ich bin für Sie da. Aber jetzt möchte ich Sie erst einmal Kelly überlassen.«
Sterling griff sich die Blutröhrchen und legte ihr die Hand auf den Rücken. Eine Geste, die auf die wachsende Vertrautheit zwischen ihnen hinwies und die sie, nun ja, als genau passend empfand. Es war schön. Verwirrend, aber schön. »Dem schließe ich mich an«, erklärte er und hielt die Ampullen in die Kamera. »Ich werde Michael Beccas Blutproben geben, und er bringt sie dann mit.« Er warf Becca einen Blick zu. »Bin gleich wieder da.«
Fürsorglich wartete er auf ihre Bestätigung, als wollte er sie nur dann allein lassen, wenn sie einverstanden war. Es war ein angenehmes Gefühl, genauso schön, wie seine Hand am Rücken zu haben. Ja, es war wunderbar, und sie wagte es, dieses Gefühl voll und ganz auszukosten – und wenn es nur dieses eine Mal war. Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sich das letzte Mal jemand so fürsorglich um sie gekümmert und sie beschützt hatte. Jedenfalls war es nicht mehr vorgekommen, seit sie vor über einem Jahrzehnt ihren Vater und ihren Bruder verloren hatte. Sie nickte. »Ich warte hier auf dich.« Und zum ersten Mal seit langer Zeit merkte Becca, dass sie sich sicher fühlte.
Einige Zeit später war Becca bereits tief in ein Gespräch mit Kelly versunken. Kelly gab ihr nicht nur einen Überblick über die Geschichte der Renegades, sondern richtete ihr auch ein
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