Zodius: Gegen den Sturm (German Edition)
erschütterte ihn. Nur für einen kurzen Moment war da der Gedanke, dass sie vielleicht seine Vergangenheit lesen würde, dass sie seine Schwächen kennenlernte, und beinahe wäre er zurückgezuckt. Calebs Hand schloss sich enger um Sterlings Arm, als wüsste er, was Sterling fühlte und was er tun wollte.
Dann war plötzlich noch jemand anderes dort, in seinem Kopf – nein, in Beccas Kopf. Die heimtückische Berührung ließ sie aufkeuchen. Vor seinem geistigen Auge sah Sterling einen Knaben – jung, stark, böse. Dann ein blitzartiges Bild von sich selbst, wie er Beccas Arm aufschnitt. Schmerz tobte durch ihn hindurch, während er spürte, was Becca gespürt hatte, als er ihr in die Schulter schnitt.
»Finden Sie Sterling in Ihrem Bewusstsein, Becca«, sagte Caleb. »Finden Sie diesen Anker, nehmen Sie diesen Ort ein und konzentrieren Sie sich auf ihn. Dann setzen Sie sich zur Wehr. Verschließen Sie Ihr Bewusstsein vor diesem Schmerz. Versperren Sie dem Eindringling den Weg. Das hier ist Ihr Bewusstsein. Nicht das seine. Werden Sie zornig. Kämpfen Sie!«
»Kämpfe«, flüsterte Sterling laut, oder vielleicht sagte er es auch nur in seinen Gedanken – oder in ihren. Er wusste es nicht genau, aber er spürte, dass Becca zitterte, und Sterling zitterte mit ihr. Jene Energie, die ihn näher an sie herangezogen hatte, stieß ihn jetzt ab. Fast konnte er den Druck auf seiner Brust fühlen, wie eine Hand.
»Lass ihn nicht gewinnen, Sterling«, gebot Caleb leise. »Sei ihr Anker. Greif nach ihrem Bewusstsein.«
Anker. Er sollte ihr Rettungsanker sein. Sterling umschloss Beccas Hände fester, so wie es Caleb mit seinem Arm gemacht hatte. »Becca«, sagte er. »Ich bin hier.«
Ihre Finger klammerten sich um seine, und er konnte hören, dass ihr keuchender Atem schneller und flacher wurde. Lange Augenblicke verstrichen. Sie drängte sich heftig in sein Bewusstsein, zog ihn zu sich heran und hüllte ihn über und über in ihre Gegenwart ein. Der Schmerz machte einer plötzlichen Erkenntnis Platz.
»Er ist weg«, rief Becca, und ihre Schultern sackten herab. »Er ist weg! Ich habe es geschafft!«
Die Energie, die er in ihren Nervenenden gespürt hatte, verebbte sofort. Sterling stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, sie zu umarmen. Hatte er jemals einen so starken Beschützerinstinkt für eine Frau empfunden? Oder für irgendjemand anderes? Sie umfasste seine Hand fester und sah ihm in die Augen; es war ein stilles Einverständnis zwischen ihnen.
Da war etwas an dieser Verbindung, das genauso intim war wie Sex. Etwas, das über den bloßen körperlichen Kontakt hinausging, ein Gefühl, einander auf einer Ebene zu kennen, wie das keinem anderen je möglich wäre. Es war wirklich erstaunlich. Auf einer gewissen Ebene kannte er ihre Ängste, ihre Freuden, ihre Bedürfnisse. Und sie kannte seine. Bei dem Gedanken schluckte er hörbar. Sie wusste Dinge, die er nie irgendjemandem anvertraut hatte.
»Können Sie spüren, dass Ihr Schild jetzt aufgerichtet ist, Becca?«, fragte Caleb. »Dass er Ihr Bewusstsein schützt?«
»Ja«, antwortete sie und musste offensichtlich kämpfen, um den Blick von Sterling loszureißen und Caleb anzusehen. »Ich spüre es.«
»Lassen Sie ihn so«, fuhr er fort. »Üben Sie sich darin, diesen Schild loszulassen und ihn dann wieder aufzurichten. Greifen Sie wieder auf Sterling als Anker zurück, wenn Sie ihn benötigen, vor allem, wenn Sie schlafen gehen. Sie müssen diesen Schild spüren, bevor Sie sich Ruhe gönnen.«
Schlaf. Bett. Er mit Becca. Sterling schüttelte dieses Bild ab. »Kann sich ihr Angreifer sie nicht wieder vorknöpfen, sobald sie den Schild einmal abgelegt hat?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube eher nicht«, erwiderte Caleb, ließ ihre Arme los und lehnte sich zurück. »Gefühle erzeugen eine Art von Energie, die mit dem Gehirn vernetzt ist. Diese Energie hinterlässt für kurze Zeit einen Rückstand. Sobald er weg ist, ist er weg. Der Angreifer würde eine neue solche hinterlassene Energiequelle brauchen, an die er sich halten kann. Die gute Neuigkeit bei der ganzen Sache besteht nun darin, dass Becca im Wesentlichen über die gleichen Schutzmöglichkeiten verfügt wie ein voller GTECH – die Hilfe durch ein Lebensband einmal ausgenommen.« Sein Blick streifte Sterlings. »Nicht einmal ein Tracker könnte sie finden, sollte sie jemals markiert werden.« Sterling sog tief die Luft ein. Caleb
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